"Die penetrante Selbstsicherheit, mit der Vatikanbeamte in seriöse theologische Lehre und Seelsorge eingreifen, ist bildungsfeindlich", erklärte der Direktor des Kollegs St. Blasien in Baden-Württemberg in der Wochenzeitung "Die Zeit". Der Vatikan hatte seine Zustimmung zur erneuten Ernennung des Leiters der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main verweigert.
Der Jesuitenpater Wucherpfennig hatte sich 2016 in einem Zeitungsinterview positiv darüber geäußert, Frauen den Weg ins Priesteramt zu ebnen. Außerdem hatte er Diskriminierung von Homosexuellen in der katholischen Kirche kritisiert. Der zuständige Limburger Bischof Georg Bätzing und das Oberhaupt des deutschen Jesuitenordens, Johannes Siebner, wollen an Wucherpfennig festhalten.
Der 64-jährige Mertes verteidigt das angebliche "Vergehen" seines Ordensbruders, der "gleichgeschlechtliche Liebe nicht verdammt und für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare plädiert". Die Forderung des Vatikans, Wucherpfennig solle seine Ansichten korrigieren, sei eine Verhöhnung. Dazu meint Mertes: "In dürren Worten auf unterstem intellektuellen Niveau fertigen sie einen loyalen Jesuiten und anerkannten Hochschullehrer ab."
"Klar wird: Hier geht es nicht mehr um Wahrheit oder um die Suche nach einer lebensnahen Seelsorge, sondern um Machtkampf", erklärte er. "Alle Mühen von Priestern vor Ort, die Fragen zu beantworten, die sich aus dem Missbrauchsskandal ergeben, werden durch das Vorgehen der Vatikanbeamten gegen Wucherpfennig verhöhnt. Ebenso alle Mühen, von einer demokratischen Gesellschaft ernst genommen zu werden."