Vier Tage nach der Eröffnung des Ditib-Zentralmoschee in Köln mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kritisierte Stamp in dem Gotteshaus die Feierstunde, an der kein deutscher Politiker teilgenommen hatte. Er hätte sich gewünscht, dass die Einweihung ein Symbol für einen deutschen Islam werden würde, sagte der stellvertretende NRW-Ministerpräsident. "Die Eröffnung durch den türkischen Präsidenten hat ein anderes Symbol gesetzt. Das hat viele Menschen enttäuscht und auch verletzt."
Stamp forderte "klare Antworten und eine klare Ansage, wie es weitergehen soll". Der Satz "Der Islam gehört zu Deutschland" müsse mit Leben gefüllt werden. Die Landesregierung werde künftig stärker auf liberalere muslimische Gemeinden als auf die Verbände setzen. Er beobachte eine wachsende Unzufriedenheit von Gemeinden bis hin zu Überlegungen, die Türkisch-Islamische Union (Ditib) zu verlassen. Um die Vielfalt des Islam zu betonen, besuchte der Minister im Anschluss eine bosnisch-muslimische Gemeinde.
Die Ditib ist der größte Moscheeverband in Deutschland und eng mit dem türkischen Staat verbunden. Der Kölner Vorsitzende Nevzar Yasar Asikoglu räumte Fehler und Unzulänglichkeiten bei der offiziellen Einweihung der Zentralmoschee ein und bedauerte die entstandenen Irritationen. "Wir werden es in unseren Dialog mit aufnehmen", kündigte Asikoglu an. "Wir schauen jetzt in eine Zukunft mit einem besseren Miteinander."
Der Vorsitzende des Integrationsrates NRW, Tayfun Keltek, warf der Ditib vor, sie habe mit der Art der Moschee-Eröffnung für "Verwirrung und Unfrieden" gesorgt und es verpasst, ein Zeichen der Zugehörigkeit der Muslime zu Deutschland zu senden. "Der wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe, als Türöffner und Integrationsbegleiter zu wirken, ist die Ditib offensichtlich nicht gewachsen." Islamische Vereine müssten erkennen, dass sie Verantwortung in Deutschland hätten, betonte Keltek. An die Politik appellierte er, Migranten das Gefühl zu geben, "dass sie und ihre Religionen zu Deutschland gehören".
Ates: Tag der Offenen Moschee sei "respektlos und arrogant"
Die Menschenrechtsanwältin und Moschee-Gründerin Seyran Ates hat den Tag der offenen Moschee scharf kritisiert. "Ich empfinde den Tag der offenen Moscheen am Tag der Deutschen Einheit als respektlos und arrogant", sagte Ates am Mittwoch im Deutschlandfunk. "Dieser Tag ist für mich als Tag der Deutschen Einheit wichtig, nicht als Tag der offenen Moschee." Letzterer wird seit mehr als 20 Jahren jährlich am 3. Oktober von den muslimischen Religionsgemeinschaften in Deutschland veranstaltet. Jedes Jahr nehmen rund 100.000 Menschen an den Veranstaltungen teil.
Durch die Ausrichtung der Veranstaltung am Tag der Deutschen Einheit werde ein Fokus auf das Thema Islam und Moscheen gesetzt, sagte Ates. Die teilnehmenden Moscheegemeinden und Verbände signalisierten, dass ihre Religion viel wichtiger sei als das, was Deutschland seit dem Mauerfall bewege. "Von daher ist es immer eher eine Provokation als eine Öffnung zur Gesellschaft." Die von ihr gegründete liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin bleibe an diesem Tag geschlossen, "weil wir an jedem Tag, vor allem jeden Freitag Tag der offenen Moschee haben".
Ates unterstrich darüber hinaus ihre Kritik an den großen Islamverbänden. Sie akzeptierten "die Pluralität in der muslimischen Gemeinschaft nicht, indem sie Menschen zu guten und schlechten Muslimen erklären". Die Moschee-Gründerin betonte: "Ich glaube daran, dass die Form, wie wir den Islam in Deutschland leben, in mehreren Jahren eine viel größere Verbreitung gefunden haben wird. Allein deshalb, weil immer mehr Menschen mutiger werden." Sie verglich die Entwicklung eines modernen westlichen Islam mit der Reformations-Bewegung Martin Luthers: "Er hat auch ganz allein und ganz klein angefangen."
Den Tag der offenen Moschee organisieren seit 1997 die muslimischen Religionsgemeinschaften in Deutschland. Dass die Moscheen am Tag der Deutschen Einheit ihre Türen öffneten, sei kein Zufall, erklärte Mazyek: "Das ist ein Tag der Freude für die deutschen Muslime." Es sei sehr eindrucksvoll zu sehen, wie Gemeindemitglieder mit anderen Bürgern das Gespräch suchten. An den Führungen, Dialogen, Diskussionen, Ausstellungen und Kulturprogrammen nehmen jedes Jahr insgesamt etwa 100.000 Menschen teil.
"Die letzten Verwerfungen zwischen der Türkei und Deutschland haben gezeigt, wie wichtig und notwendig das persönliche Gespräch ist", sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Montag in Köln.
Am Mittwoch übernahm turnusgemäß Erol Pürlü vom Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) das Amt des Sprechers des Koordinationsrates, in dem sich die vier großen muslimischen Dachverbände VIKZ, Ditib, Zentralrat und Islamrat zusammengeschlossen haben. Die Verbände stellen reihum jeweils für ein halbes Jahr den Sprecher. Der 1969 geborene muslimische Theologe Pürlü folgt auf Burhan Kesici vom Islamrat. Er übernimmt den Posten bereits zum sechsten Mal.