Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will sich künftig deutlich stärker für Umweltschutz und Gleichstellung einsetzen. Ein neues Impulspapier "Geliehen ist der Stern, auf dem wir leben. Die Agenda 2030 als Herausforderung für die Kirchen" wurde am Mittwoch in Berlin vorgestellt. Darin werden Handlungsfelder benannt, in denen die Kirchen aktiver werden müssten. Dazu gehören etwa eine verstärkt ökologische Bewirtschaftung der rund 260.000 Hektar Land, die die evangelischen Gemeinden an Landwirte verpachten, sowie eine Anhebung von Löhnen etwa bei kirchlichen Beschäftigten in sozialen und Pflegeberufen.
Der Vorsitzende des Rates der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, mahnt im Vorwort zur Umkehr und betont: "Wir wollen selbst in unserer Praxis nachhaltiger und glaubwürdiger werden." Das Papier wurde vom Rat einstimmig verabschiedet. Der Vorsitzende der EKD-Kammer für nachhaltige Entwicklung, Uwe Schneidewind, bezeichnete es als "Stachel", der eine Diskussion in der Kirche vorantreiben soll. "Man muss heraus aus den Komfortzonen, auch als Kirche", sagte er.
Die Vorsitzende des Rates für nachhaltige Entwicklung in Deutschland, Marlehn Thieme, sieht zugleich die Bundesregierung in der Pflicht. Gerade in Zeiten von Politikverdrossenheit und der Vereinfachung komplexer Sachverhalte bedürfe es eines intensiven Dialogs zwischen dem Staat und allen betroffenen Gruppen, betonte sie.
Die "Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung" wurde Ende September 2015 auf einem UN-Gipfel in New York verabschiedet. Hauptziele sind unter anderen, weltweit extreme Armut und Hunger zu überwinden sowie allen Menschen den Zugang zu Bildung zu ermöglichen und die Ungleichheit zu verringern. Die insgesamt 17 Nachhaltigkeitsziele sollen bis zum Jahr 2030 erreicht werden.
Das EKD-Impulspapier konzentriert sich auf vier der Ziele: den Hunger zu beenden und eine nachhaltige Landwirtschaft zu fördern, nachhaltig zu konsumieren und zu produzieren, Ungleichheiten zu überwinden sowie das Klima zu schützen. Bei der Beschaffung ökologisch fairer Produkte muss laut Papier noch mehr passieren, damit künftig nicht nur auf den Preis geschaut werde. In Sachen ökologische Landwirtschaft strebt die EKD an, den Anteil der Flächen von derzeit rund 7,5 Prozent auf 20 Prozent zu steigern. Bei der Einsparung von Kohlendioxid seien erste Ziele erreicht worden, allerdings hätten nicht alle Landeskirchen sich selbst Klimaschutzziele gesteckt, hieß es.
Klimaforscher rechnen derweil schon bei einer globalen Erwärmung von 1,5 Grad Celsius mit zunehmenden Hitzewellen und Dürren insbesondere im Mittelmeerraum. "Grob ein Grad Erwärmung haben wir bereits erreicht und die Folgen werden immer spürbarer", sagte Katja Frieler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in Berlin anlässlich der für Oktober geplanten Veröffentlichung des neuen Sonderberichts des Weltklimarats IPCC. Die Expertin ist selbst nicht am Bericht beteiligt, rechnet aber nach eigenen Worten damit, dass dieser untermauern wird, dass eine Erwärmung um 1,5 Grad "gravierende und unumkehrbare Folgen" hat.
Frieler betonte, dass vier der fünf tödlichsten Naturkatastrophen der vergangenen Jahrzehnte in Europa Hitzewellen gewesen seien. Im Jahr 2003 seien dabei 70.000 Menschen ums Leben gekommen und im Jahr 2010 rund 55.000 Menschen. Sie verwies zudem auf Gefahren für Mittelmeerländer, die nicht gut auf den weiteren Wassermangel vorbereitet sind. Syrien sei vor dem Krieg stark von der Landwirtschaft abhängig gewesen ebenso wie bis heute Marokko. Hitzewellen könnten da Konflikte und Krisen verschärfen oder aufkommen lassen.
Ferner rechnen Klimaforscher mit mehr Überschwemmungen, Wirbelstürmen und Waldbränden. Schon 2017 sei die Mehrheit der zusätzlichen aus ihrer Heimat vertriebenen 30 Millionen Menschen wegen Naturkatastrophen geflohen. Frieler sagte, dass nach derzeitigem Stand "wahrscheinlich nicht mal das Zwei-Grad-Ziel eingehalten wird". Der Sonderbericht des Weltklimarats soll in einer Woche in Südkorea verabschiedet werden.