Antisemitismus: Umfang von Diskriminierung an Schule noch unklar

Antisemitische Vorwürfe gegen Schüler der John-F.-Kennedy-Schule im Berliner Stadtteil Zehlendorf.
Foto: Robert Schlesinger/dpa-Zentralbi/Robert Schlesinger
An der John-F.-Kennedy-Schule im Berliner Stadtteil Zehlendorf wurde ein jüdischer Schüler einer 9. Klasse antisemitisch beleidigt und gemobbt wurde.
Antisemitismus: Umfang von Diskriminierung an Schule noch unklar
Der Direktor der Berliner John-F.-Kennedy-Schule sichert eine "umfassende Aufarbeitung" der Vorfälle zu, in deren Zentrum ein jüdischer Neuntklässler steht. Er soll über Monate hinweg drangsaliert worden sein.

Im Antisemitismus-Fall an der renommierten Berliner John-F.-Kennedy-Schule bleiben weiter viele Fragen offen. Unklar ist, seit wann und in welchem Umfang es antisemitische Vorfälle an der Schule gegeben hat, die von zahlreichen Diplomatenkindern besucht wird. Am Donnerstag kündigte der US-amerikanische Schuldirektor Brian Salzer eine "umfassende Aufarbeitung" in den kommenden Wochen an. Zugleich räumte er ein, dass die Schulleitung derzeit noch keinen genauen Überblick habe, zu welchem Zeitpunkt sich was zugetragen hat. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, kritisierte unterdessen im Rundfunk-Berlin-Brandenburg (RBB), dass Lehrer an deutschen Schulen oft nicht ausreichend auf antisemitische Vorfälle vorbereitet seien.

Am Mittwoch war bekanntgeworden, dass an der Berliner Schule mit rund 1.700 Schülern über Monate hinweg ein jüdischer Schüler einer 9. Klasse antisemitisch beleidigt und gemobbt wurde. Demnach hatten mehrere Mitschüler den Jungen immer wieder drangsaliert. Ein Mitschüler habe ihm in einer Umkleidekabine mit einer E-Zigarette Rauch ins Gesicht geblasen und dabei gesagt, der jüdische Schüler solle an seine vergasten Vorfahren denken, bestätigte der Schuldirektor. Zudem hätten Mitschüler den jüdischen Neuntklässer mit Zetteln tyrannisiert, auf denen Hakenkreuze aufgemalt waren.

Vorwurf: kein guter Jude

Konflikte gab es Berichten zufolge auch mit einer anderen, ebenfalls jüdischen Mitschülerin. Weil der Neuntklässler in Debatten über den Nahostkonflikt nicht nur die palästinensische Seite kritisierte, soll ihm die Mitschülerin vorgeworfen haben, kein guter Jude zu sein. Offenbar erst nach einer Häufung von Übergriffen hatte sich der jüdische Schüler an seine Eltern gewandt. Diese informierten Anfang Juni die Antidiskriminierungsbeauftragte der Berliner Senatsbildungsverwaltung. Am 7. Juni habe die Schulleitung erstmals Kenntnisse von den Vorfällen bekommen, sagte Salzer. Der jüdische Schüler sei derzeit vom Unterricht befreit. Unklar ist, ob der Junge nach den Sommerferien an die John-F.-Kennedy-Schule zurückkehrt.

Die Vorfälle seien "nicht akzeptabel und tolerierbar", sagte der deutsche Oberschulleiter Steffen Schulze. Untersucht werden müsse auch, warum es so lange gedauert habe, bis die Schulleitung von den Übergriffen erfahren hat. Auch der Ablauf der verschiedenen Vorkommnisse müsse erst noch aufgearbeitet werden.

Zur Zahl und Nationalität der Mitschüler, die den jüdischen Jungen drangsaliert haben sollen, wollte die Schulleitung aus Gründen des Persönlichkeitsrechts der Jugendlichen keine Angaben machen. Die Übergriffe hätten jedoch keinen muslimischen Hintergrund, hieß es. Auch gehe es nicht nur um Antisemitismus, sondern möglicherweise auch um Homophobie und andere Diskriminierung. Medienberichte, wonach es an der renommierten Schule weitere rassistische Beschimpfungen dunkelhäutiger Schüler gegeben habe, wollte Schulleiter Salzer nicht bestätigen.

Schon am Freitag, dem letzten Schultag vor den Sommerferien, solle in allen Klassen das Thema Diskriminierung aufgegriffen werden, hieß es. Die Lehrer der internationalen und bilingualen Schule sollen zudem zum Umgang mit Antisemitismus geschult werden. Das müsse reguläres Thema in der Lehrerausbildung werden, forderte der Antisemitismusbeauftragte des Bundes, Klein, im RBB-Inforadio.