Der Kustos des Franziskanerkonvents von Assisi, Mauro Gambetti, sagte, die Ehrung sei zugleich eine Aufforderung dazu, die zivilen Kräfte Europas um sich zu sammeln, um durch den Verzicht auf Einzelinteressen, Privilegien und kurzsichtige Formen der Machtausübung einen Horizont der Einheit zu öffnen.
Merkel sagte mit Hinweis auf die Lage in Syrien, die Annektierung der Krim durch Russland und die Aufkündigung des Atomabkommens mit Iran durch die USA, Frieden zu schaffen sei die "vornehmste Aufgabe der Politik". Dass die europäische Integration ein Friedensprojekt sei, sei vielen heute nicht immer bewusst. Wenn man sich die wechselvolle Geschichte des Kontinents vor Augen halte, werde dies aber klar, betonte sie auch im Hinblick auf die Flüchtlingskrise.
Auch der italienische Ministerpräsident Paolo Gentiloni würdigte in Assisi Merkels Bemühungen um die Bewältigung der Flüchtlingskrise von 2015. Sie habe auch in den schwierigsten Momenten als zentrale Figur der "friedliche Supermacht" Europa gehandelt und dafür einen hohen politischen Preis gezahlt. "Wehe dem, der der auf Abrüstungs- und Friedensverträge verzichtet", sagte er unter Anspielung auf die Absage von US-Präsident Donald Trump an das Atomabkommen mit Iran.
Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos lobte in Assisi Merkels Einsatz für Frieden und Versöhnung in der Europäischen Union. Er war Ende 2016 für den Friedensvertrag zwischen der kolumbianischen Regierung und den Farc-Rebellen mit der Lampe des Friedens ausgezeichnet worden. Merkel habe "mit richtigen aber nicht immer populären Entscheidungen" im Geist der Solidarität gehandelt, sagte Santos unter Hinweis auf die Öffnung der Grenzen für syrische Flüchtlinge, die auf dem Höhepunkt der Migrationskrise aus der Türkei über Griechenland nach Deutschland strömten.
Bei einer Fragestunde mit Jugendlichen und Novizen warnte die Bundeskanzlerin vor Populismus. "Lassen Sie sich nicht verführen", mahnte sie. Einfache Lösungen für komplexe Probleme gebe es nicht. Es gebe nicht den Italiener, den Deutschen und den Griechen. "Sobald wir in Stereotype verfallen, zerstören wir Europa."
Integration von Flüchtlingen sei "keine Einbahnstraße". Diese müssten vieles lernen und seien "in den allermeisten Fällen" dazu bereit, sagte Merkel. Die Menschen in den Zielländern müssten sich jedoch auch in die Lage von Flüchtlingen versetzen. Für viele von ihnen stelle sich Deutschland gewiss als "sehr komisches Land" dar, solange niemand ihnen erkläre, warum Dinge dort auf eine bestimmte Weise getan würden.
Die Lampe des Friedens der Franziskaner wurde erstmals 1981 an den polnischen Gewerkschaftsführer Lech Walesa verliehen. Bei Besuchen in Assisi erhielten überdies die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. sowie Persönlichkeiten wie Mutter Teresa, der Dalai Lama, Palästinenserpräsident Jassir Arafat und der israelische Präsident Shimon Peres die Auszeichnung.