Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat auf dem Katholikentag in Münster den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran als "schweren Einschnitt" für die internationale Zusammenarbeit bezeichnet. Die einseitige Aufkündigung sei ein "Grund großer Sorge", sagte sie am Freitag bei einer Podiumsdiskussion vor Tausenden Besuchern. Fragen des Zusammenhalts beschäftigen auch die Kirchen. Die Spitzenrepräsentanten der beiden großen Kirchen sprachen sich für mehr Anstrengungen in der Ökumene aus.
Merkel erklärte, inwieweit sich das Abkommen ohne die USA aufrechterhalten lasse, müsse nun mit dem Iran besprochen werden. "Das ist ein gravierendes Vorkommnis, aber kein Grund, die transatlantische Partnerschaft infrage zu stellen", unterstrich die Kanzlerin. Die transatlantische Zusammenarbeit liege nach wie vor im Interesse Deutschlands. Als Friedensmacht sei Europa alleine nicht stark genug und auf Verbündete angewiesen.
Sie betrachte mit Sorge, dass sich der Multilateralismus im Augenblick in einer "großen Krise" befinde. Das werde nur bei dem Atomabkommen mit dem Iran, sondern auch beispielsweise beim Klimaschutz deutlich. "Wenn jeder macht, worauf er Lust hat, ist das eine schlechte Nachricht für die Welt", sagte die Kanzlerin.
Was diplomatische Gesprächsbereitschaft anbelangt, ist nach Merkels Überzeugung Offenheit nach vielen Seiten gefragt. "Ich glaube, da müssen wir sehr weit gehen", sagte sie. Wenn sie die Präsidenten Wladimir Putin oder Recep Tayyip Erdogan treffe, würden vielfach Forderungen an sie herangetragen, Probleme anzusprechen, berichtete die Kanzlerin. Wenn man etwas erreichen wolle, sei ihrer Erfahrung nach jedoch auch wichtig, die jeweiligen Gesprächspartner ernst zu nehmen. Merkel bezeichnete sich selbst als "etwas restriktiv" bei der Auswahl ihrer Gesprächspartner: "Ich rede auch nicht mit jedem." Mit dem libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi habe sie beispielsweise "eigentlich nie" bilateral gesprochen.
Spaltung der Christenheit überwinden
Auch die Annäherung zwischen Katholiken und Protestanten war am Freitag Thema auf dem Katholikentag. Nach dem Reformationsjubiläum 2017 riefen die Spitzenrepräsentanten der beiden großen Kirchen dazu auf, in der Ökumene nicht zu ermüden. Christen auf beiden Seiten sollten "nicht überlegen, was nicht, sondern was geht", sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, in Münster. Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, äußerte die Hoffnung auf weitere Fortschritte. Zugleich betonte er, dass die 2017 erreichten Annäherungen zwischen den Kirchen "nicht mehr rückholbar" seien.
Marx und Bedford-Strohm berichteten scherzend vor Hunderten Zuhörern in einem Hörsaal der Universität, dass ihre persönliche Freundschaft inzwischen auch ein Symbol für die Ökumene in Deutschland sei. So wurden sie schon gefragt, ob es sie auch einzeln gebe und nicht nur "im Doppelpack".
Zum Streit in der katholischen Kirche über die Öffnung der Eucharistie für evangelische Ehepartner hoffen Marx und Bedford-Strohm auf eine gute, einvernehmliche Lösung. Es gebe einen klaren Auftrag von Papst Franziskus, dieses Thema auf pastoral-seelsorgerliche Weise auf Ebene der Nationalkirchen zu regeln, sagte der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm. Dieses Thema sei allerdings nicht neu, sondern werde seit mehr als 20 Jahren in der Bischofskonferenz diskutiert, fügte Marx hinzu.
Marx warnte davor, alle Hürden in der Ökumene allein der katholischen Kirche zuzuschreiben. Ökumene dürfe allerdings auch nicht nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert werden, sagte der Münchner Erzbischof. Christen aller Konfessionen sollten die Spaltung der Christenheit überwinden, nicht vertiefen.
Der Arzt und TV-Moderator Eckart von Hirschhausen plädierte auf dem Katholikentag ebenfalls für die Öffnung der Eucharistie für evangelische Ehepartner in der katholischen Kirche. "Wenn Sie die Hälfte meiner Kirchensteuer für die katholische Kirche abzwacken, geben Sie mir mit Freude eine Oblate dafür oder geben Sie mir mein Geld zurück", sagte Hirschhausen am Freitag in Münster. Der Fernsehmoderator ist evangelisch, seine Frau Katholikin.
Hirschhausen hält den Streit um die Öffnung des Abendmahls zudem für unnötig. "Wie viel Zeit und Energie verpulvern wir mit zeichenrelevanten Diskussionen?", beklagte er. Hirschhausen forderte die Kirchen auf, sich stattdessen zum Beispiel verstärkt für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen.
Laschet zur Kreuz-Pflicht: Neutralität sei Staates ist hohes Gut
Auch über die geplante Kreuz-Pflicht in bayerischen Behörden wurde in Münster diskutiert. "Ich finde es schwierig, so etwas einfach von oben zu verordnen", sagte der Erzbischof von Köln, Kardinal Rainer Maria Woelki, und schloss sich damit der Kritik von Kardinal Marx an. Der baden-württembergische Ministerpräsident, Winfried Kretschmann (Grüne), sagte, er plante keine Kreuz-Pflicht in den Behörden seines Bundeslands. Im Eingangsbereich aller bayerischen Dienstgebäude soll ab dem 1. Juni ein Kreuz hängen.
Auch innerhalb der Union bleibt die Kreuz-Pflicht umstritten. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) gingen auf Distanz zu der bayerischen Entscheidung. Es sei "fatal und gefährlich, das Kreuz rein utilitaristisch zu verwenden, statt aus innerer Überzeugung", sagt Grütters, die Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken ist, dem "Spiegel".
Ministerpräsident Laschet betonte, die Neutralität des Staates sei ein hohes Gut, das man bei einer solchen Entscheidung abwägen müsse. "Wenn man dieses Thema angeht, sollte man das im engen Dialog mit den Kirchen tun", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). In Nordrhein-Westfalen bestehe "diesbezüglich kein Handlungsbedarf", fügte er hinzu. Religion finde aber in NRW im öffentlichen Raum statt, und es sei gut, "wenn das sichtbar und maßvoll geschieht". "In zahlreichen Klassenräumen und Gerichten hängt ein Kreuz, und ich finde es richtig, dass ein religiöses Symbol dort seinen Raum hat."
Der 101. Katholikentag in Münster steht unter dem Leitwort "Suche Frieden". Veranstalter ist das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Mehr als 50.000 Menschen haben nach Angaben der Veranstalter Dauerkarten, hinzu kommen Tausende Tagesteilnehmer. Insgesamt finden mehr als 1.000 Veranstaltungen statt, darunter Podiumsdiskussionen, Lesungen und kulturelle Angebote. Der Katholikentag dauert bis Sonntag.