"Damit stigmatisiert man die Kinder und der Unterricht hat bei ihnen gleich ein negatives Image", sagte die Leiterin der Forschungsstelle Wertebildung an der Universität Osnabrück dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Wertebildung funktioniere nicht dadurch, dass nur Wissen etwa über die Menschen- und Grundrechte oder die Gleichberechtigung von Mann und Frau vermittelt werde, betonte Blasberg-Kuhnke. "Wir müssen Möglichkeiten schaffen, dass die zugewanderten Kinder diese Werte auch erfahren und erleben, das geht nur zusammen mit den einheimischen."
Die Fraktionsvorsitzenden von CDU und CSU haben sich am Dienstag zum Abschluss ihrer Konferenz in Frankfurt am Main für die Einführung eines Werteunterrichts für Flüchtlinge ausgesprochen. Einige Länder-Bildungsminister äußerten Kritik. Lehrerverbände lehnten die Pläne ebenfalls ab, sprachen sich aber für die Einführung eines Wertekunde-Unterrichts für alle Schüler aus.
Auch diesem Vorschlag erteilte Blasberg-Kuhnke eine Absage: "Wir müssen vielmehr die wertebildenden Fächer stärken, die wir schon haben, wie etwa Religion, praktische Philosophie oder Werte und Normen." Die seien in den vergangenen Jahrzehnten vernachlässigt worden. Zudem müssten Lehrer in allen Fächern Werte vermitteln. Wertebildung müsse für angehende Lehrer in allen Schuformen und allen Lehramtsstudiengängen zum Pflichtstoff gehören, sagte die Uni-Vizepräsidentin. In Osnabrück sei das bereits der Fall.
Nachholbedarf in Wertebildung hätten auch deutsche Schüler, betonte die Uni-Vizepräsidentin. Insofern begrüße sie die nun aufkommende Debatte. Sie forderte mehr Wertschätzung für die wertebildenden Fächer und eine bessere Ausstattung der Schulen mit Seelsorgern, Sozialarbeitern und Psychologen: "Das ist eine schöne Herausforderung für die Politik. Da kann sie richtig etwas tun."
Über alle Kulturen, Religionen und Weltanschauungen hinweg existiere die universell geltende, "goldene" Regel, erläuterte Blasberg-Kuhnke. Diese lasse sich im Deutschen am besten beschreiben mit dem Sprichwort: "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu." Das könnten auch Kinder schon nachvollziehen. Auf diesem gemeinsamen Nenner müsse die Wertebildung immer aufbauen.
Von dort bis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung sei es jedoch ein weiter Weg, auf dem junge Zuwanderer begleitet werden müssten, sagte die Religionspädagogin. Nur dann könnten sie irgendwann selbst aktiv für diese Werte eintreten. Dieser Prozess brauche Zeit: "Das dauert zwei oder sogar drei Generationen."