Nach der Empörung über die Echo-Auszeichnung für die Rapper Kollegah und Farid Bang hat der Präsident des Deutschen Kulturrates, Christian Höppner, seinen Rücktritt aus dem Ethik-Beirat des Musikpreises angekündigt. Unter den bestehenden Rahmenbedingungen werde er nicht weiter in dem Gremium mitarbeiten, erklärte Höppner am Dienstag.
Zugleich kündigte er an, dass sich der Kulturrat künftig schwerpunktmäßig mit den Grenzen der Kunstfreiheit befassen werde. Nach Ansicht des Medienwissenschaftlers Jo Groebel verhilft die massive Kritik an der Auszeichnung den beiden Rappern zu noch mehr Ruhm.
Kollegah und Farid Bang waren in der vergangenen Woche beim Musikpreis Echo für ihr Album "Jung, Brutal, Gutaussehend 3" in der Kategorie Hip-Hop/Urban National ausgezeichnet worden, obwohl bereits ihre Nominierung auf großen öffentlichen Protest gestoßen war. In ihrem aktuellen Album findet sich etwa die Textzeile "Mache wieder mal 'nen Holocaust, komm' an mit dem Molotow". Auf der Bonus-EP des Albums heißt es im Song "0815": "Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen".
Preis soll überarbeitet werden
Der Ethik-Beirat hatte vor der Preisvergabe die Textzeilen der Rapper kritisiert, aber gegen einen Ausschluss von der Preisverleihung votiert. Kulturratspräsident Höppner erklärte, der Beirat habe sich in Abwägung zwischen Kunstfreiheit und Nichtzulassung zugunsten der Kunstfreiheit durchgerungen: "Diese Entscheidung war ein Fehler." Unzweifelhaft stünden die Mitglieder des Beirats und die in ihr vertretenen Organisationen ohne Wenn und Aber "gegen Antisemitismus, Hass und Gewalt". Doch seien die derzeitigen Regeln zur Preisvergabe "gesellschaftlich nicht mehr tragbar".
Der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Musikindustrie, Florian Drücke, hat inzwischen eine Überarbeitung des Preises angekündigt. Dies schließe eine umfassende Erneuerung der Mechanismen von Nominierung und Preisvergabe ein. Änderungen sind noch nicht bekannt.
Am Sonntag hatte das Notos Quartett auf seiner Facebook-Seite erklärt, dass es aus Protest seinen "Echo Klassik 2017" zurückgegeben hat. Auch Beatles-Wegbegleiter Klaus Voormann, der Pianist Igor Levit, der Dirigent Enoch zu Guttenberg und der Violinist Andreas Reiner vom Orchester Klangverwaltung kündigten Berichten zufolge die Rückgabe des Preises an. Am Montag forderte der Sänger Peter Maffay die Verantwortlichen des Echos zum Rücktritt auf.
Die Echo-Veranstalter reagierten am Montagabend auf die Kritik und die Rückgabe der Preise mit Bedauern: "Wir hoffen, dass die Künstler trotzdem die Debatte mit uns weiter führen, in der es um mehr als um diesen Musikpreis geht", hieß es auf der Facebook-Seite des Preises.
Der Medienpsychologe Groebel sagte, die nachvollziehbaren kritischen Reaktionen sorgten unfreiwillig noch für eine Steigerung des Ruhms und vermutlich des Markterfolgs der Rapper. "Ihr Kalkül sind der Skandal und der Schock", sagte Groebel in der "Heilbronner Stimme (Mittwoch) über die Preisträger. Dies sei der "Preis der öffentlich geführten Debatte." Sie müsse aber geführt werden. "Im Halb-Untergrund lebt die Szene ja weiter." Das zeige sich auch darin, dass der Echo auf explizit auf Verkaufszahlen beruhe. "Es gibt also Hunderttausende von Fans, die von der Musik und den Texten angesprochen werden", erklärte der Medienwissenschaftler. "Das kann man nicht ignorieren."
Für den Echo nominiert werden je Kategorie die Künstler oder Bands, die in den deutschen Charts auf den fünf besten Rängen platziert sind. Landet ein Album auf dem Index für jugendgefährdende Medien, fällt es automatisch von der Liste. Charterfolg und die Stimmen von Fachjuroren werden am Ende zusammengezählt und entscheiden so über die Echo-Preisträger.