Die geplanten Ankerzentren, in denen Flüchtlinge bis zu 18 Monaten mit Arbeitsverbot festgehalten werden dürften, verhinderten Integration und erzeugten Perspektivlosigkeit, kritisierte Jung. Dies wiederum nähre Vorurteile von Rechtspopulisten und Rassisten. Stattdessen sollten Politik, Verbände und Bürger sich für ein "inklusives Gemeinwesen" engagieren, wo Menschen unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Status solidarisch zusammenleben, sagte der Kirchenpräsident.
Eine an den Menschenrechten orientierte Flüchtlingspolitik würde Fluchtwege nach Europa offen halten und sich an den Interessen von Flüchtlingen ausrichten. "Flüchtlinge haben als Katalysator für die weitgehend verdrängte soziale Frage gewirkt", fügte Jung hinzu. Während laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung vier Fünftel der deutschen Bevölkerung das Motto der Interkulturellen Woche "Vielfalt verbindet" bejahten, sei ein noch größerer Teil der Meinung, dass die Verteilung der Güter im Land ungerecht sei. "Vielfalt muss mit Gerechtigkeit verbunden werden", forderte der Kirchenpräsident.
Jung rief zugleich zu einer Stärkung der Demokratie auf. "Wir brauchen vor dem Hintergrund des Rechtspopulismus ein neues demokratisches Selbstbewusstsein", sagte er. "Populismus ist im Kern demokratiefeindlich." Die Öffentlichkeit dürfe sich nicht vor den AfD-Parolen abwenden, sondern müsse sich mit ihnen auseinandersetzen. Nicht nur Einwanderer müssten Demokratie lernen, sondern Einheimische mit ihnen gemeinsam die Demokratie weiterentwickeln. Auch dürften Demokraten die digitalen Medien nicht denen überlassen, die den Populismus organisierten.
Die Interkulturelle Woche ist eine bundesweite Initiative der Evangelischen Kirche in Deutschland, der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie. Sie findet seit 1975 jährlich Ende September statt und wird von Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und Initiativgruppen mitgetragen.