Im Unterschied zu strafrechtlich relevanten Gewalttaten seien Belästigungen allerdings oft schwer zu greifen, sagte Bergmann. Es gebe ganz vielfältige Übergriffe: "Verbale Belästigungen, Beleidigungen, die auf das Geschlecht oder die sexuelle Identität Bezug nehmen, und Grenzverletzungen wie unerwünschte Berührungen oder das Aufhängen von Pin-ups im Büro". Bundesweite Zahlen dazu gebe es aber nicht, da diese Fälle bei ganz unterschiedlichen Stellen aufliefen und nicht erhoben würden.
Unter dem Hashtag #churchtoo veröffentlichen beim Kurznachrichtendienst Twitter inzwischen Hunderte Frauen, die Gewalt und Übergriffe im kirchlichen Umfeld erfahren haben, ihre Erlebnisse - allerdings überwiegend englischsprachig. Auf Facebook postete eine Userin dem Bericht zufolge im November auf Deutsche: "#churchtoo auch wir sind Tausende und Abertausende"; die Zahl lässt sich allerdings nicht überprüfen.
Die Verbandsgeschäftsführerin der Evangelischen Frauen in Deutschland, Eske Wollrad, sagte der Monatszeitschrift, das Schweigen über #metoo-Erfahrungen in der Kirche liege nahe. Sexualisierte Gewalt sei im kirchlichen Bereich ein besonderes Tabu, weil die Kirche ja den Anspruch habe, allen einen sicheren Raum zu bieten. "Meine Vermutung ist, dass die Dunkelziffer, was die Übergriffe im Sinne von #metoo angeht, wesentlich höher ist, als das was nach außen dringt."
Die #metoo-Debatte war ursprünglich durch Vorwürfe von Schauspielerinnen gegen den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein ausgelöst worden. Sie warfen ihm sexuelle Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung vor. Seither machten Tausende Frauen unter dem Hashtag Erlebnisse sexueller Gewalt und Demütigung öffentlich.