Die anglikanische Kirche in Australien verurteilt die Legalisierung der Beihilfe zum Selbstmord für Todkranke im australischen Bundesstaat Victoria. "Die Verabschiedung der Gesetzgebung über Sterbehilfe im Oberhaus von Victoria ist sicherlich ein historischer Tag, aber keiner, den ich feiern kann", sagte Philip Freier, anglikanischer Erzbischof von Victorias Hauptstadt Melbourne.
Am 22. November hatte mit 22 zu 18 Stimmen auch das Oberhaus dem Gesetz über Beihilfe zum Selbstmord für Todkranke zugestimmt. Vier Wochen zuvor hatte bereits nach einer 26-stündigen Marathonsitzung das Repräsentantenhaus mit 47 zu 37 Stimmen das Gesetz beschlossen. "Das ist ein monumentaler gesellschaftlicher Wandel. Viele Ärzte sind besorgt, was das für ihren Beruf und ihre Pflicht zur Bewahrung des Lebens bedeutet", sagte Erzbischof Freier, der auch Oberhaupt der anglikanischen Kirche Australiens ist.
Erzbischof Freier war unter den sieben Bischöfen, die Juli 2017 in einem gemeinsamen Brief an Victorias Premierminister Daniel Andrews ihre Gründe für die Ablehnung des "Euthanasiegesetzes" dargelegt hatten. Den Brief hatten neben Freier auch der katholische Erzbischof, den Bischöfen der griechisch-orthodoxen Kirche, der Lutherischen Kirche, der Syro-Malabar Eparchy of St Thomas the Apostle, der Kirche der ukrainischen Katholiken und der koptisch-orthodoxen Kirche unterzeichnet.
Nach dem neuen Recht kann sich jeder volljährige, an einer unheilbaren Krankheit leidende Patient von einem Arzt ein tödliches Medikament verschreiben lassen. Vorraussetzung ist eine Lebenserwartung von weniger als zwölf Monaten. Das Gesetz "Voluntary Assisted Dying Bill" erlaube es darüber hinaus dem Arzt, die tödliche Dosis zu verabreichen, wenn der Patient dazu selbst nicht mehr in der Lage ist.
Bis zur Verschreibung des tödlichen Medikaments müssen allerdings einige Hürden genommen werden. Ein Arzt muss zunächst entscheiden, ob der Patient die gesetzlichen Kriterien für die Beihilfe zum Selbstmord erfüllt. In einem zweiten Schritt ist der Arzt verpflichtet zu prüfen, ob der Patient seien Sterbewunsch aus freien Stücken äußert. Dann muss der Patient das schriftlich erklären. Das Dokument muss er in Anwesenheit des Arztes von zwei Zeugen unterschreiben lassen, die keine Familienangehörigen sein dürfen. Das Gesetz gibt Ärzten ausdrücklich das Recht, aus Gewissensgründen eine Beteiligung an diesem Verfahren abzulehnen.
In den vergangenen Jahrzehnten waren Gesetzesinitiativen zur Legalisierung der Sterbehilfe sowohl in Landtagen als auch im australischen Parlament immer wieder gescheitert. Ausnahme war 1996 das Northern Territory. Die Legalisierung der freiwilligen Sterbehilfe wurde dann aber durch ein Veto des damaligen Ministerpräsidenten John Howard für ungültig erklärt. Territorien besitzen im Vergleich zu Bundesstaaten wie Victoria nur eine eingeschränkte Souveränität.