Die Vereinten Nationen haben vor einer Hungersnot mit Millionen Opfern im Jemen gewarnt. Die Schließung aller Land-, See- und Luftwege durch Saudi-Arabien und seine Verbündeten schneide die notleidenden Menschen von neuen Hilfslieferungen ab, erklärten die UN und humanitäre Organisationen am Donnerstag in Genf. Der UN-Sicherheitsrat in New York verlangte am Mittwoch (Ortszeit) von Saudi-Arabien ein Ende der Blockade. Oxfam erklärte, der Jemen sei Schauplatz der momentan größten humanitären Krise weltweit.
Auch die Bundesregierung hat Saudi-Arabien aufgefordert, die Zugangswege für humanitäre Lieferungen in den Jemen wieder zu öffnen. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte am Freitag in Berlin, Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) habe darüber mit seinem saudischen Amtskollegen Adel al-Dschubeir gesprochen. Die Versorgung der notleidenden Bevölkerung habe Priorität, betonte die Sprecherin. Die Wiedereröffnung des Hafens von Aden am Mittwoch sei ein erster Schritt gewesen, reiche aber nicht aus, da Transporte von dort nicht ins Landesinnere gelangten.
Cholera breitet sich aus
Die Bundesregierung prüft nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert eine Erhöhung der Mittel für die humanitäre Hilfe. Bisher seien 120 Millionen Euro aufgebracht worden, sagte Seibert.
Rund 20 Millionen der 27 Millionen Kinder, Frauen und Männer in dem Bürgerkriegsland seien dringend auf die Lieferung von Lebensmitteln, Medikamente und Brennstoffe angewiesen, erklärten UN-Vertreter. Etwa sieben Millionen Menschen seien akut vom Hungertod bedroht. Zudem breitet sich laut der Weltgesundheitsorganisation die Cholera immer weiter aus. Mehr als 900.000 Menschen hätten sich infiziert, knapp 2.200 von ihnen seien gestorben - das sei der größte Cholera-Ausbruch weltweit. Die Blockade der See-, Land- und Luftwege könnte zu noch mehr Cholera-Fällen und noch mehr Cholera-Toten führen. "Wir wollen Leben retten", sagte betonte WHO-Sprecherin Fadela Chaib am Freitag in Genf. Die WHO könne keine Impfstoffe und Medikamente gegen die Cholera in das Nachbarland Saudi-Arabiens liefern, erklärte die Sprecherin.
In den Wochen vor Einführung der Blockade am Sonntag habe sich die Ausbreitung der Cholera im Jemen verlangsamt. Seit Ende April starben laut der WHO rund 2.200 Menschen an der Durchfallerkrankung. Cholera wird durch verschmutztes Wasser oder Nahrungsmittel übertragen und breitet sich bei schlechten hygienischen Verhältnissen schnell aus. Besonders gefährlich ist die Infektion für Kinder, alte und kranke Menschen.
"Ärzte ohne Grenzen" beklagte am Donnerstag, die von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition habe trotz immer neuer Anträge auf Genehmigung in den vergangenen drei Tagen keine Hilfsflüge von Dschibuti nach Sanaa oder Aden erlaubt. Die Auswirkungen der Blockade seien bereits spürbar.
"Die Treibstoffpreise sind in den Ballungszentren sprunghaft angestiegen, Diesel und Gas zum Kochen werden knapper und Lieferungen lebenswichtiger Medikamente bleiben an den Grenzübergängen hängen", sagte der zuständige Koordinator Justin Armstrong. Zudem seien humanitäre Helfer gewarnt worden, in bestimmte Gebiete des Jemen zu reisen. Dies bringe die besonders auf Hilfe angewiesenen Menschen noch weiter in Bedrängnis.
Die Koalition unter Führung Saudi-Arabiens hatte am Sonntag angekündigt, alle Verbindungen in den Jemen über Land, Wasser und Luft vorübergehend zu schließen. Damit soll die Einfuhr von Waffen aus dem Iran für die schiitischen Huthi-Rebellen unterbunden werden.
Die Hilfsorganisation Care beklagte, Hilfsfrachter bekämen keine Einfahrerlaubnis in jemenitische Häfen. Auch Relief International, Save The Children und Islamic Relief riefen zur Öffnung der Grenzen auf.
Im Jemen bekämpfen sich seit 2015 die Huthi-Rebellen und die sunnitisch geprägte Regierung, die von einer Koalition unter Saudi-Arabiens Führung unterstützt wird. Tausende Menschen wurden bereits getötet.