Der Islamrat und der Zentralrat der Muslime sind nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster keine Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes. Damit hätten sie auch keinen Anspruch auf allgemeine Einführung eines islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen in Nordrhein-Westfalen, entschied das Gericht am Donnerstag (AZ: 19 A 997/02).
NRW will am bestehenden Beiratsmodell für den islamischen Religionsunterricht festhalten und es weiterentwickeln. Der Zentralrat der Muslime und der Islamrat wollten erreichen, dass der 2012 eingeführte Islamunterricht in dem Bundesland durch ein ordentliches Schulfach ersetzt wird, bei dem die Islamverbände alleinige Ansprechpartner für das Land sind.
Der Modellversuch ist vorerst bis 2019 befristet. Von einem Religionsunterricht im Sinne des Grundgesetzes unterscheidet sich das Beiratsmodell dadurch, dass nicht eine Religionsgemeinschaft die Lehrinhalte bestimmt, sondern ein achtköpfiger Beirat. Das Gremium besteht zur Hälfte aus Vertretern, die das Schulministerium des Landes im Einvernehmen mit den islamischen Organisationen bestimmt.
Flächendeckender, einheitlicher islamischer Religionsunterricht in NRW das Ziel
NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) begrüßte das Urteil. Damit sei in einer wichtigen Frage Klarheit geschaffen worden. NRW werde islamischen Religionsunterricht auch nach 2019 weiter anbieten. Die Landesregierung wolle die bisherige konstruktive Zusammenarbeit mit den Islamverbänden im Beirat, zu denen auch Islamrat und Zentralrat der Muslime gehören, fortführen, betonte Gebauer. Um den Islam "noch mehr in seiner Vielfalt abzubilden", solle das Beiratsmodell weiterentwickelt werden.
"Das Ziel ist und bleibt ein flächendeckender, einheitlicher islamischer Religionsunterricht in NRW, der unter staatlicher Aufsicht von in Deutschland ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern in deutscher Sprache durchgeführt wird", sagte die Ministerin. In NRW nehmen nach Ministeriumsangaben landesweit 19.400 muslimische Jungen und Mädchen an rund 230 Schulen am islamischen Religionsunterricht teil.
Die stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Nurhan Soykan, zeigte sich dagegen enttäuscht von der Entscheidung. "Wir können die Kritik des Gerichts an den fehlenden Verwaltungsstrukturen in unseren Verbänden nicht nachvollziehen", sagte die Rechtsanwältin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Offenbar werde "eine Verkirchlichung der Islamverbände" erwartet. "Bei uns wird 90 Prozent der Arbeit von Ehrenamtlichen geleistet, da kann man nicht Strukturen wie bei einer Landeskirche erwarten", erklärte sie.
Der Zentralrat habe sich von den Urteil Rechtssicherheit für den Islamunterricht an den Schulen in NRW erhofft, sagte Soykan. Die gebe es nun nicht. Ob ihr Verband sich weiterhin an dem in NRW praktizierten Beiratsmodell für den Islamunterricht beteiligen will, ließ sie offen.
Die Richter in Münster hatten vor allem bezweifelt, dass die beiden klagenden Dachverbände über genügend Lehrautorität gegenüber ihren Mitgliedsverbänden verfügen. Zur Einordnung eines auf mehreren Ebenen organisierten Dachverbandes als Teil einer Religionsgemeinschaft gehöre unter anderem, dass der Dachverband in seiner Satzung mit Sachautorität und -kompetenz für identitätsstiftende religiöse Aufgaben ausgestattet ist, heißt es in dem Urteil. Diese religiöse Autorität müsse in der gesamten Gemeinschaft bis hinunter zu den Moscheegemeinden reale Geltung haben.
Diese Voraussetzung sahen die Richter bei beiden Islamverbänden für nicht gegeben. Eine Revision gegen das Urteil ließ das Gericht nicht zu. Die Kläger können vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.
Mit der Entscheidung des Oberverwaltungsgericht ging ein fast 20-jähriger Rechtsstreit um den Islam-Unterricht in NRW zu Ende. Die beiden islamischen Verbände waren 1998 und 2003 mit ihrer Forderung vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf und dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster gescheitert. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verwies den Fall jedoch 2005 an das OVG mit der Begründung zurück, dass die Richter in Münster klären müssten, welche Voraussetzungen die klagenden Islamverbände erfüllen müssten, um als Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden.