Zurück in die Zukunft heißt es ab Mitte November für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Knapp zwei Wochen nach Abschluss des Festjahres zu 500 Jahren Reformation beginnt in Bonn die Jahrestagung der EKD-Synode. Unter dem Titel "Zukunft auf gutem Grund" will das Kirchenparlament nach dem Festreigen zur Vergewisserung über die eigenen Wurzeln darüber beraten, wie es in den nächsten Jahrzehnten weitergehen soll mit den deutschen Protestanten. "Es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden", lautet der vielsagende biblische Untertitel des Synoden-Schwerpunktthemas aus dem 1. Johannesbrief (3,2).
Am Freitag blickte Synodenpräses Irmgard Schwaetzer auf die viertägigen Beratungen in der ehemaligen Bundeshauptstadt am Rhein voraus. Die Synode wolle einen Perspektivwechsel einleiten hin zu einer Kirche in einer säkularen Gesellschaft, sagte die 75-Jährige, die seit vier Jahren das Kirchenparlament leitet. Dafür habe das Reformationsjubiläum wertvolle Hinweise gegeben: Immer dann, wenn die Kirche ungewöhnliche Formate an überraschenden Orten angeboten habe, seien Menschen erreicht worden, "die wir sonst nicht treffen". Das Festjahr habe noch einmal deutlich gemacht, dass Kirche zu den Menschen hingehen müsse und weniger darauf setzen sollte, dass die Menschen zu ihr kommen.
Wie das genau im Festjahr funktioniert hat, darüber sollen dem ab dem 12. November beratenden Kirchenparlament 32 sogenannte Scouts aus unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft Auskunft geben. Sie waren in den vergangenen zwölf Monaten im Auftrag der Synode bei Jubiläumsveranstaltungen unterwegs. Konkrete Antworten auf die Schlüsselfrage, wie evangelische Kirche in Zeiten der Säkularisierung ihren Platz in der Gesellschaft behaupten kann, haben sie laut Schwaetzer nicht im Gepäck. Der Synode werde es zunächst darum gehen, einen Prozess in Gang zu setzen, der das Kirchenparlament, den Rat der EKD und die 20 Landeskirchen auf dem Weg in die Zukunft zusammenbringt.
Erst theologische Vision, dann Strukturen
Dieser Ansatz markiert die endgültige Abkehr vom EKD-Impulspapier "Kirche der Freiheit". Mit diesem hatte der damalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber 2006 versucht, angesichts sinkender Mitgliederzahlen und abnehmender Kirchensteuereinnahmen Leitplanken für Reformen im deutschen Protestantismus zu setzen, die angesichts unmissverständlicher Zielvorgaben unter anderem zur Fusion von Landeskirchen und wünschenswerten Taufquoten auf teils erbitterten Widerstand an der Basis stießen. "Wachsen gegen den Trend" hieß der ehrgeizige Anspruch.
Schwaetzer warnte am Freitag vor einer "Verzweckung des Glaubens", die sich oftmals in Zahlendiskussionen ausdrücke. "Nur da zu sein, ohne dass klar wird, welche Botschaft wir anstreben, wird nicht genügen", sagte die ehemalige FDP-Politikerin.
Damit weiß sich Schwaetzer eins mit dem EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm, der vor dem historischen Reformationstag zum 500. Jahrestag des Thesenanschlags durch Martin Luther (1483-1546) erklärt hatte, dass zunächst theologisch eine Vision von Kirche zu entwickeln und erst dann zu entscheiden sei, welche Strukturen in der Zukunft nötig sind. Dabei sei die Prognose zu berücksichtigen, dass die Zahl der Protestanten von heute 21,9 Millionen auf etwa 16 Millionen im Jahr 2040 sinken soll - was entsprechend auch die Finanzen schmälert.
Noch steht die evangelische Kirche dank anhaltend guter Konjunktur finanziell auf einer soliden Basis. Bei den Haushaltsdebatten in der Synode wird es Schwaetzer zufolge auch noch einmal um das Reformationsjubiläum gehen. Sie sprach von einem noch nicht genau bezifferten "Nachfinanzierungsbedarf" und verwies auf die Besucherzahlen insbesondere in der Anfangszeit der Weltausstellung Reformation in Wittenberg, die nicht den Erwartungen entsprochen hätten. Es gebe aber auch zusätzliche Kosten im Sicherheitsbereich, die vorher nicht erwartet worden seien.