Der Journalist Hans Leyendecker nannte die Reformation in seiner Festrede eine "Unabhängigkeitserklärung mit Weltbedeutung". Sie stehe für Freiheit von der Kurie, der Inquisition und der "Dogmenhuberei", aber auch für Verantwortung, Bildung und die Bedeutung des Wortes, sagte Leyendecker vor den Abgeordneten sowie Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Spitzenvertretern der Kirchen. Zudem sei sie ein Motor der Hochkultur.
Gastgeber des Festakts waren Landtagspräsident André Kuper (CDU) und die leitenden Geistlichen der drei evangelischen Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen. Am 31. Oktober jährt sich zum 500. Mal die Veröffentlichung der 95 Thesen, die Martin Luther (1483-1546) der Überlieferung nach an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg schlug. Am Reformationstag, der in diesem Jahr einmalig bundesweit gesetzlicher Feiertag ist, endet zugleich das Jubiläumsjahr, mit dem die evangelische Kirche 500 Jahre Reformation feiert.
Leyendecker beklagte den sinkenden Anteil der Christen in Deutschland und rief die Kirchen zu mehr konkreter und spürbarer Ökumene auf. "Es gibt heute viel mehr, was uns eint, als das, was uns trennt", sagte der Präsident des evangelischen Kirchentages 2019 in Dortmund laut Redetext. Noch nie in den letzten 500 Jahren seien sich die Kirchen so nah und das wechselseitige Verständnis so groß gewesen. Dabei sei das Kirchenvolk längst weiter als die Bischöfe und theologischen Experten: "Die Leute machen keinen Unterschied mehr zwischen den Konfessionen."
"Wunde der Trennung am Tisch des gemeinsamen Herrn Christus"
Vehement forderte Leyendecker ein gemeinsames Abendmahl von Protestanten und Katholiken. "Niemand sollte mündigen Christen vorschreiben, die Einladung zum heiligen Abendmahl einer anderen Kirche nicht annehmen zu dürfen", sagte er. "Dass beispielsweise gemischt konfessionelle Paare kein gemeinsames Abendmahl haben sollen, ist doch ein Ärgernis, das zum Himmel schreit." Sogar Nichtchristen könnten nicht verstehen, "dass Christen Christen aussperren".
Die "Wunde der Trennung am Tisch des gemeinsamen Herrn Christus" empfinde er als existenziell, sagte Leyendecker, der selbst vom Katholizismus zum Protestantismus konvertierte. Seit Jahrzehnten sei er in der evangelischen Kirche zu Hause, schätze aber auch an der katholischen Kirche "eine ganze Menge".
Kritik an christlichen Parteien
Einen müsse die Christen auch das Eintreten für Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, unterstrich der 68-Jährige. "Wer als Christenmensch nicht den Mut hat, für die Schwachen da zu sein, braucht nicht von Gott zu reden." Seit der Bundestagswahl führten jedoch einige Vertreter christlicher Parteien eine Debatte "nach dem Motto, dass man Fremdenfeindlichkeit nicht den Rechtsradikalen oder den rechten Populisten überlassen dürfe", kritisierte Leyendecker. "Wer das meint, ist nicht mal ein halber Christ."