"Die Voraussetzung für Ehe ist, dass man für immer zusammen bleiben will. Aber daran kann man scheitern wie an anderen Dingen im Leben auch", sagte die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und EKD-Reformationsbotschafterin am Donnerstag in Wittenberg. Von Kirchengemeinden wünsche sich Käßmann, Brüche im Leben der Menschen nicht zu tabuisieren.
Aus Sicht reformatorischer Theologen wie Martin Luther (1483-1546) oder Johannes Bugenhagen (1485-1558) sei Ehe kein Sakrament und eine Scheidung möglich. "Trotzdem ist das in unserer Kirche ein Thema, das wir seit Beginn der Reformation diskutieren und noch nicht ausdiskutiert haben", sagte Käßmann, die sich selbst in ihrer Amtszeit als Landesbischöfin Hannovers scheiden ließ und daraufhin starker Kritik ausgesetzt sah. Kein Mensch lebe sündenfrei, betonte Käßmann, aber alle dürften mit ihren Sünden vor Gott treten. Das sei ein wesentlicher Bestandteil Luthers Gottesbildes und seiner Definition von Freiheit.
Der Rat der EKD hatte im Jahr 2013 einen Leitfaden zum Thema Familie veröffentlicht, der für Furore sorgte. Menschen in Situationen von Trennung und Scheidung sollten demnach in der Gemeinde Begleitung und Beistand finden. Kritiker warfen der evangelischen Kirche daraufhin eine "Kuscheltheologie" und Selbstsäkularisierung vor.
Unter dem Titel "Für immer?" war die Gesprächsrunde Teil der zwölften Themenwoche "Familien, Lebensformen und Gender" auf der Wittenberger Weltausstellung Reformation. Margot Käßmann teilte sich das Podium mit Cornelia Spachtholz vom Verband berufstätiger Mütter sowie dem Autor und Theologen Rainer Knieling ("Mit Scheitern leben lernen").
In den 16 Wochen zwischen dem 20. Mai und dem 10. September kommen Vertreter von mehr als 80 Kirchen und Organisationen in der Lutherstadt zusammen, um über die Herausforderungen der Menschheit im 21. Jahrhundert zu diskutieren. Mit der Freiluftausstellung feiert die evangelische Kirche in diesem Jahr das 500. Jubiläum der Reformationsbewegung an ihrem Ausgangsort Wittenberg.