Sie haben Einsatzkräfte aus Bremen zum G20-Einsatz in Hamburg begleitet und standen als Polizeiseelsorger im Hintergrund bereit. Was hat die Frauen und Männer beschäftigt?
Uwe Köster: Besonders berührt und beeindruckt waren viele von der Gewalt um der reinen Gewalt willen, die sie erlebt haben. Das hatte nichts mehr mit einem politischen Anliegen zu tun. Das macht die Polizistinnen und Polizisten auch wütend, besonders wenn sie von Hunderten verletzten Kollegen hören. Es gab aber auch sehr großes Unverständnis darüber, dass der G20-Gipfel mitten in der Stadt und dann auch noch neben dem Schanzenviertel mit dem Autonomen-Zentrum Rote Flora stattfand. Viele sagten: Der Ort war falsch gewählt. Manche der Polizisten sind auch frustriert, dass sie zwar die Gipfel-Teilnehmer schützen konnten, nicht aber die Bevölkerung, die Autos und Läden. Sie können nicht überall sein, auch wenn sie das gern würden.
"Das empfinden sie als sehr verletzend"
Haben Sie den Eindruck, dass das Ausmaß der Gewalt gestiegen ist?
Uwe Köster: Natürlich war die Gewalterfahrung in Hamburg extrem. Aber Spezialeinheiten wie die Besatzung der Wasserwerfer kennen das auch von anderen Einsätzen wie dem 1. Mai in Berlin und der Eröffnung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt im März 2015. Diesmal kam aber teilweise eine noch höhere Bedrohung dazu. So mussten die Dächer im Schanzenviertel erst geräumt werden von Leuten, die Steine herunterwarfen, bevor die Polizisten gegen die Gewalttäter auf der Straße vorgehen konnten. Sehr erbost sind einige Polizisten darüber, dass ihnen in einigen Medien und sozialen Netzwerken vorgeworfen wird, sie hätten mit ihrem Auftreten zur Eskalation beigetragen. Das empfinden sie als sehr verletzend.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Mannheim hat über Facebook ein Foto verbreitet, auf dem Polizisten in einem Hausflur liegen. Sie hätten das "Maß der persönlichen Belastbarkeit weit überschritten", schreibt er. Was haben Sie erlebt?
Uwe Köster: Das war sicherlich kein Einzelfall. Die Dienstzeiten sind sehr lang bei solchen Einsätzen, auch deutlich über 24 Stunden, dass man auch mal im Stehen einschläft. Das ist an sich nichts Neues, aber in diesem Maß hat es das Gewohnte gesprengt. Und im Nachhinein fragen sich dann doch einige: Was tue ich da eigentlich? In welche Gefahr begebe ich mich? Kann es sein, dass knapp zehn Prozent der Polizisten in Deutschland ein einziges Ereignis schützen müssen?