Brennende Autos auf den Straßen, schwierige Beratungen im abgeschotteten Messezentrum: Begleitet von Ausschreitungen und Blockaden hat am Freitag der Gipfel der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in Hamburg begonnen. Zum Auftakt mahnte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Kompromissbereitschaft unter den Staats- und Regierungschefs an. "Wir kennen alle die großen globalen Herausforderungen. Und wir wissen, dass die Zeit drängt", sagte sie. Der Gipfel soll am Samstagnachmittag mit einer Abschlusserklärung enden.
Bis dahin müssten die Unterhändler "noch eine Nacht durcharbeiten. Aber das gehört dazu", erklärte Merkel. Mehrere Punkte des Schlussdokumentes, darunter der Klimaschutz, galten als umstritten. Am Rande des Gipfels wollten am Nachmittag erstmals US-Präsident Donald Trump und der russische Staatschef Wladimir Putin zusammentreffen.
Mehr als 1.000 Demonstranten versuchten im Laufe des Vormittags, die Zufahrtswege zum Tagungsort Messehallen zu blockieren. Der Beginn des Gipfels verzögerte sich deshalb. Autonome Gruppen zogen durch den Bezirk Altona, zerstörten Fensterscheiben und setzten Autos in Brand. Unter anderem griffen rund 60 Vermummte eine Polizeistation am Bahnhof Altona an. Drei Fahrzeuge wurden beschädigt, ein Beamter verletzt. Am Freitagmorgen war ein Demonstrationsverbot zwischen dem Flughafen und der südlichen Altstadt in Kraft getreten.
Bereits bei der "Welcome to hell"-Demonstration am Donnerstagabend war die Lage zeitweise eskaliert. Nach Polizeiangaben wurden 160 Beamte verletzt, einige durch Stahlkugeln. Wie viele Demonstranten verletzt wurden, sei noch offen, sagte Andreas Beuth, Sprecher der Autonomen-Demonstration. Es habe aber drei Schwerverletzte gegeben, einer sei in einem "kritischen Zustand". Die Polizei habe Tote in Kauf genommen.
Die Polizei verteidigte dagegen ihr Eingreifen. Zahlreiche Einsatzkräfte seien an verschiedenen Stellen in der Stadt angegriffen worden, hieß es. Beuth indes machte die Polizei für die Eskalation verantwortlich. Sie habe die friedliche Demonstration ohne Not angegriffen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte die Ausschreitungen. Brutale Gewalt habe auf den Straßen nichts verloren. "Sie hat keine Rechtfertigung und kann nicht mit Verständnis rechnen", sagte Steinmeier der "Bild"-Zeitung (Samstag). Seinen Respekt hätten dagegen diejenigen, die friedlich ihre Meinung und auch ihren Protest zum Ausdruck brächten.
Zu den strittigen Themen beim Gipfel zählt unter anderem der Klimaschutz. In einem Entwurf der Unterhändler für die Abschlusserklärung, der dem epd vorliegt, bekennen sich alle Länder außer den USA zum Pariser Klimaabkommen. Washington hat seinen Rückzug von dem Klimapakt angekündigt. Für Empörung bei Umweltschützern sorgt ein Satz, wonach die USA anderen Ländern bei der Umsetzung ihrer Pariser Klimaziele helfen wollen und dabei auf eine "effizientere" und "sauberere" Nutzung fossiler Energien setzen.
Oxfam-Klima-Experte Jan Kowalzig bezeichnete es als absurde Idee, "dass ausgerechnet der Paris-Aussteiger USA nun andere Länder mit fossilen Energietechnologien zur Umsetzung der Klima-Ziele unter dem Abkommen beglücken" wolle. Dabei sei der Pariser Vertrag langfristig nur mit der schrittweisen, vollständigen Abkehr von Öl, Gas und Kohle zu erfüllen.
Auch die Handelspolitik stand am ersten Gipfeltag im Mittelpunkt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erteilte nationalen Alleingängen in Handelsfragen eine klare Absage. Nicht protektionistische Mauern, sondern ein resolutes Aufeinanderzugehen seien jetzt gefragt, betonte der EU-Kommissionspräsident in Hamburg. Zu den Protesten der Gipfelgegner sagte Juncker: "Wir hören auch zu, was wir auf der Straße hören. Es ist nicht so, als liefen wir blind und taub durch Hamburg."
Papst Franziskus rief die Teilnehmer des G20-Gipfels auf, sich für ein Ende der bewaffneten Konflikte im Südsudan, in der Tschadsee-Region, am Horn von Afrika und im Jemen einzusetzen. Das Bemühen um eine Lösung der Konflikte und Hilfe für die betroffenen Menschen seien Teil der Aufgabe, mittelfristig die Weltwirtschaft zu reformieren, erklärte Franziskus in Rom.