Noch vor der Sommerpause wird der Bundestag über die "Ehe für alle" entscheiden. Eine Mehrheit im Rechtsausschuss des Bundestags setzte am Mittwoch in Berlin durch, dass es bereits in dieser Woche - voraussichtlich am Freitag - eine Abstimmung geben wird. Zudem gab der Ausschuss nach Angaben mehrerer Mitglieder die Empfehlung ab, für einen Gesetzentwurf aus dem Bundesrat zu stimmen, der die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ermöglicht. Die SPD, die bislang aus Koalitionstreue eine Abstimmung immer blockiert hatte, stimmte mit Grünen und Linken nun dafür, eine Entscheidung des Parlaments herbeizuführen. Die Union stimmte geschlossen dagegen.
SPD, Grüne und Linke sind für die völlige Gleichstellung homosexueller Partnerschaften. Sie verfügen zusammen über eine knappe Mehrheit von 320 der insgesamt 630 Stimmen im Bundestag. Wann genau die Abstimmung stattfinden wird, war am frühen Mittwochnachmittag noch offen. Wird der Gesetzentwurf verabschiedet, könnte sich der Bundesrat schon in der nächsten Woche (7. Juli) mit dem Thema befassen.
"30 Mal berührt, 30 Mal ist nichts passiert"
Die Union hatte sich bislang gegen die Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften mit der Ehe ausgesprochen und eine Abstimmung darüber verweigert. In den Reihen der CDU wurden aber auch die Befürworter einer "Ehe für alle" mehr. Anfang der Woche deutete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dann überraschend an, dass sie im Fall einer Abstimmung ihrer Parteikollegen das Votum freigeben wolle in Form einer Gewissensentscheidung, wie sie beispielsweise bei ethischen Themen im Parlament üblich ist.
Die SPD überrumpelte den Koalitionspartner daraufhin am Dienstag mit der Ankündigung, diese Abstimmung noch diese Woche abhalten zu wollen. Wie nach der Fraktionssitzung der Union am Dienstag bekannt wurde, ist den CDU- und CSU-Abgeordneten dabei wie vorher von Merkel angedeutet tatsächlich freigestellt, ob sie für oder gegen die "Ehe für alle" votieren. Nach Schätzungen aus Fraktionskreisen könnten ein Viertel bis ein Drittel der Unionsabgeordneten für die Öffnung der Ehe stimmen. In diesem Fall wäre eine Mehrheit für eine Gesetzesänderung so gut wie sicher.
Die Grünen, die sich im Bundestag besonders für die Öffnung der Ehe eingesetzt hatten, freuten sich über die Dynamik in dieser Woche. "30 Mal berührt, 30 Mal ist nichts passiert", sagte die Ausschussvorsitzende Renate Künast (Grüne) unter Anspielung auf die ergebnislosen Beratungen in den vergangenen knapp vier Jahren. Die Entscheidung am Mittwoch über die Abstimmung war die 31. Behandlung des Themas in dieser Wahlperiode. Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne), der allen voran für die Öffnung der Ehe für Homosexuelle gestritten hatte, sprach von einem "ganz wichtigen Schritt".
Mit dem Gesetzentwurf aus dem Bundesrat, der im Bundestag abgestimmt wird, würde im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschrieben, dass auch zwei Personen gleichen Geschlechts eine Ehe eingehen können. Seit 2001 können homosexuelle Paare eine Lebenspartnerschaft eingehen, die der Ehe weitgehend gleichgestellt ist. Was Ehe und Lebenspartnerschaft heute noch unterscheidet, ist das Adoptionsrecht: Schwule und Lesben dürfen nicht gemeinsam ein Kind adoptieren. Das würde sich mit dem neuen Gesetz ändern. Bestehende Lebenspartnerschaften können - müssen aber nicht - in Ehen umgewandelt werden. Neue Lebenspartnerschaften könnten künftig aber nicht mehr geschlossen werden.
Im Parlament gibt es bei einigen auch Bedenken, ob die "Ehe für alle" ohne Grundgesetzänderung möglich ist. Der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU) sagte der "Rheinischen Post" (Mittwoch), es spreche einiges dafür, "dass die vorgeschlagene Gesetzesänderung das Ehegrundrecht verletzt".
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hält dagegen eine Verfassungsänderung nicht für notwendig. "Wir sehen einen Wandel des traditionellen Eheverständnisses, der angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers die Einführung der 'Ehe für alle' verfassungsrechtlich zulässt", sagte Maas den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag).
Die katholische Kirche kritisierte die voraussichtliche Öffnung der Ehe scharf. Der Staat müsse die Ehe zwischen Mann und Frau als prinzipiell lebenslange Verbindung "mit der grundsätzlichen Offenheit für die Weitergabe von Leben" schützen und fördern, erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx. Er bedauere es, "wenn dieser Ehebegriff aufgelöst werden soll". Zudem kritisierte er das schnelle Verfahren im Bundestag als "völlig unangemessen".