Die Entwicklung gehe dahin, dass Sexualität als etwas zutiefst Menschliches und elementar Positives verstanden werde, das mit einer normativen Herangehensweise nicht ausreichend erfasst werden könne, sagte Petra Bosse-Huber am Freitag beim evangelischen Kirchentag in Berlin. "Zur Selbstbestimmung gehört, dass jedem Menschen freigestellt werden muss, welchen Raum und welche Wertigkeit er oder sie der Sexualität im Leben einräumen möchte."
Eine selbst gewählte zölibatäre oder asexuelle Lebensweise dürfe genauso wertgeschätzt werden wie das Leben in einer verlässlichen Partnerschaft oder Ehe. "Es ist meiner Überzeugung nach auch kein Schaden für die christliche Ehe, wenn die Kirche auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften segnet", sagte die evangelische Bischöfin laut vorab verbreitetem Redemanuskript.
Lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle Menschen dürften nicht anders behandelt werden als heterosexuelle Personen. Neben positiv ausgelebten intimen Verhältnissen hätten aber zahlreiche Fälle von sexueller Gewalt und sexuellem Missbrauch auch in kirchlichen Einrichtungen gezeigt, dass zerstörerische Kräfte und Barbarei auch in der Sexualität zum Ausdruck kommen könnten. "Ein 'anything goes' kann also nicht das Postulat verantwortlicher evangelischer Sexualethik sein", erklärte Bosse-Huber.
Als zentrales Kriterium für sexuelle Vielfalt nannte die Bischöfin die Freiwilligkeit, also das Einverständnis aller Beteiligten. Auch die Abwesenheit von asymmetrischen Machtverhältnissen in einer Beziehung und die Achtung vor Wünschen des oder der Anderen seien wichtig.