Habilas Gesicht ist unförmig: seine Nase und sein Mund sind schief, sein rechtes Auge ist unnatürlich weit geöffnet. Die Deformierungen hat er der islamischen Terrormiliz Boko Haram zu verdanken, die vor einigen Jahren das Haus seiner Familie im überwiegend muslimischen Norden Nigerias stürmten und Habila bedrohten. Die Männer, so Habila, wollten ihn nicht töten – sie wollten ihn zum Islam bekehren. Drei Mal forderten sie den Familienvater auf, Christus zu verleugnen – drei Mal weigerte Habila sich. Nach der dritten Weigerung griff einer der Männer zu seinem Gewehr und schoss Habila ins Gesicht – das Projektil riss ihm dabei einen Teil seines rechten Unterkieferknochens weg.
Reglos lag er auf dem blutend auf dem Fußboden aus. Im Glauben, ihn getötet zu haben, ließen die Islamisten ihn zurück. Seine Frau war wie gelähmt von dem Schock und der Angst, hatten die Terroristen doch auch das Leben ihres 4-jährigen Sohnes bedroht, sollte sie irgendwem von dem erzählen, was sie gesehen hatte. Erst neun Stunden nach dem Angriff konnte sie die muslimischen Nachbarn um Hilfe bitten. Sie brachten Habila ein Krankenhaus und erzählten ihm auf der Fahrt, was in dieser verhängnisvollen Nacht noch geschehen war: Boko Haram hatte alle Christen im Dorf abgeschlachtet – Habila war der einzig Überlebende.
Aber wenn Habila Adamu spricht, hört man keinen Hass auf seine Peiniger. Er sinnt nicht auf Rache oder Vergeltung. Zwar ist Habila mit seiner Familie in den Süden Nigerias gezogen, in dem überwiegend Christen leben, doch fährt er immer noch regelmäßig in den Norden. Auch in sein altes Dorf. Er möchte den Menschen dort den christlichen Glauben näher bringen. Sollte er bei einem dieser Besuche die Männer, die ihn beinah umgebracht haben, wiedersehen, würde er sie gerne umarmen und ihnen sagen, dass er ihnen vergeben hat: "Sie wissen nicht, was sie tun. Aber Jesus liebt auch sie. Und ich liebe sie."
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Kurz wird es komplett dunkel in dem kleinen, fensterlosen Raum, bevor der Beamer kurz flackernd wieder zum Leben erwacht und zur PowerPoint Präsentation zurückkehrt. Die Teilnehmer des Workshops "Christenverfolgung – Kein Thema der Vergangenheit" sind sprachlos, einige schauen betreten zu Boden. "Ich weiß nicht, ob ich das könnte. Wenn mir oder meiner Familie jemand so etwas antun würde…", sagt Referent Dedo Raatz von dem Hilfs- und Missionswerk "Hilfsaktion Märtyrerkirche e.V. (HMK)" schließlich. Eine Teilnehmerin merkt an, dass Habila wahrscheinlich nur durch seine Vergebung wirklich weiterleben könne – alles andere sei ein Verharren in Hassen und Vergeltungssucht. "Aber ob ich das selbst könnte, wenn es mir passiert", fügt sie nachdenklich an, schüttelt leicht zweifelnd den Kopf und zuckt schließlich hilflos mit den Schultern. Keiner der Teilnehmer kann sich auch nur im Entferntesten ausmalen, wie es sich anfühlen muss, in so einer Situation zu sein.
Habilas Schicksal ist nur eines von vielen Millionen verfolgten Christen weltweit. Nach Angaben der "Hilfsaktion Märtyrerkirche" stehen potentiell mehr als 200 Millionen Christen in mindestens 64 Staaten vor der Gefahr, wegen ihres Glaubens verfolgt zu werden. Wie viele tatsächlich in welchem Ausmaß betroffen sind, ist unbekannt. "Die Christenverfolgung steigt tendenziell an und schuld daran sind unter anderem die radikal-islamistischen Terrororganisationen wie zum Beispiel der Islamische Staat oder auch Boko Haram", so Raatz. Das HMK unterstützt 116 Projekte in 42 Ländern, die den verfolgten Christen auf vielfältige Weise helfen sollen: Sie haben zum Beispiel Habilas Arzt- und Krankenhauskosten übernommen, so wie sie auch die Behandlungskosten anderer Christen übernehmen, die bei Angriffen verletzt wurden. Des Weiteren investieren sie Gelder unter anderem in die Soforthilfe, den Wiederaufbau und die Überlebenshilfe.
"Wo wir als Christen die verfolgte Gemeinde so unterstützen, entsteht ein Segenskreislauf. Unser materieller Überfluss hilft den Menschen in Not und ihr geistlicher Segen stärkt uns wiederum. Außerdem geben die Menschen vor Ort ihre Nächstenliebe weiter und bekehren so immer mehr Menschen zum Christentum", erklärt Raatz. Es fasziniere ihn, dass die Verfolgten ihnen häufig davon erzählen würden, dass sie die Gebete ihrer Brüder und Schwestern gespürt hätten. "Viele wollen gar nicht, dass wir für ein Ende ihrer Verfolgung beten. Sie wünschen sich eher, dass wir dafür beten, dass sie stark bleiben und durchhalten", so Raatz. Außerdem bete man in den verfolgten Gemeinden auch für die Christen in der westlichen Welt, damit sie nicht der Versuchung erliegen und so von Gott getrennt werden.