Die Initiatoren, ein "Bündnis zur Abnahme des Reliefs im Reformationsjahr 2017", fordern, dass das 700 Jahre alte Steinrelief noch in diesem Reformationsommer von der Außenwand der Kirche entfernt und in einem Museum aufgestellt wird. Das historische Relief zeigt eine Sau, an deren Zitzen Juden säugen. Mit den sogenannten Judensauen wurden im Mittelalter Gläubige der jüdischen Religion verhöhnt.
Die Organisatoren des Protestes, der Leipziger Pfarrer Thomas Piehler und Joela Krüger von der Evangelischen Marienschwesternschaft in Darmstadt, wollen die Mahnwachen zunächst bis zum 21. Juni wöchentlich fortsetzen. Der Antisemitismus von Reformator Martin Luther (183-1546) dürfe nicht länger "in Stein gehauen" bleiben, sagte Piehler. Das Festhalten an der dargestellten "Judensau" wäre ein "tragisches Fehlsignal an die Gesellschaft und für unsere jüdischen Mitbürger".
"Originalstück am Originalplatz"
Eine von der Stadtkirchengemeinde bereits 1988 vor der Außenwand eingelassene erklärende Gedenkplatte zu dem Relief genügt den Kritikern dabei nicht. Sie genüge nicht als Zeichen der Abkehr der evangelisch-lutherischen Kirche vom Antisemitismus Luthers, hieß es. Nur die Entfernung der Schmähskulptur mache die ernsthafte Abkehr der Kirche sichtbar.
Auch die Wittenberger evangelische Stadtkirchengemeinde spricht von einem "beunruhigenden und verstörenden Erbe", will aber an der Schmähplastik festhalten. Sie bekenne sich zu einer Erinnerungs- und Gedenkkultur mit einem "Originalstück am Originalplatz", heißt es in einem im Februar veröffentlichen Positionspapier. Geschichte solle nicht versteckt werden und Geschichtsvermittlung gelinge am eindrücklichsten am authentischen Ort. Das sei ein immer auch "schmerzlicher und paradoxer Prozess", weil etwas "Negatives etwas Positives bewirken soll". An der "Stätte der Mahnung" an der Außenfassade der Wittenberger Stadtkirche habe sich eine "lebendige Erinnerungskultur etabliert mit kommunalen und kirchlichen Gedenkveranstaltungen".
Neben der Wittenberger Stadtkirche gibt es in Mitteleuropa etwa 30 Kirchen und anderen Gebäude mit "Judensau"-Plastiken. Zu den bekannten Sakralbauten in Deutschland mit den Schmähskulpturen zählen unter anderem der Kölner, der Erfurter und der Magdeburger Dom sowie der Dom zu Brandenburg.