Ein Staat funktioniere nach dem Grundprinzip der Gerechtigkeit, nicht nach dem christlicher Barmherzigkeit, ergänzte der evangelische Politiker: "Abschiebungen zum Beispiel sind nicht barmherzig, sie sind aber die Folge rechtsstaatlichen Handelns."
Der 63-Jähirge fügte hinzu, bei der Arbeit helfe ihm unter anderem die Schrift "Von der Freiheit des Christenmenschen" von Reformator Martin Luther (1483-1546). "Da geht es auch um die Trennung des religiösen Lebens von staatlicher Macht", sagte de Maizière, der in der Kirche engagiert ist und dem Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages angehört.
Eine Ursache für die sinkende Zahl gläubiger Christen könnte laut de Maizière der gestiegene Wohlstand in der Gesellschaft sein. Zudem hätten die Predigten in den Kirchen zu selten mit dem Alltag der Menschen zu tun und richteten sich "zu 95 Prozent an gläubige Christen", ergänzte er. Er würde sich daher wünschen, "dass hier auch die angesprochen werden, die noch keinen Zugang zum christlichen Glauben haben".
Das Interview mit dem Innenminister ist Teil einer 18-seitigen "Bild"-Sonderbeilage, die nach Verlagsangaben zwischen Montag und Mittwoch dieser Woche den ostdeutschen Ausgaben des Blattes und der "BZ" in Berlin beiliegt. Die evangelische Kirche feiert bis Oktober dieses Jahres 500 Jahre Reformation. 1517 hatte Martin Luther (1483-1546) seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht, die er der Überlieferung nach am 31. Oktober an die Tür der Wittenberger Schlosskirche nagelte. Der Thesenanschlag gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte.