Die Religionsfreiheit sei zwar eingeschränkt, aber nicht verletzt worden, urteilte der Gerichtshof im Fall eines konfessionslosen Mannes, der wegen der Kirchenzugehörigkeit seiner Frau eine höhere Steuerschuld hatte. Mehrere weitere Klagen erklärte das Gericht für unzulässig und argumentierte dabei, dass die Betroffenen aus der Kirche austreten könnten. Das Urteil kann in den kommenden drei Monaten noch angefochten werden. (AZ: 10138/11, 16687/11, 25359/11 und 28919/11.)
In dem Verfahren ging es um vier Paare aus Deutschland, von denen jeweils nur ein Partner der katholischen oder evangelischen Kirche angehörte und damit grundsätzlich kirchensteuerpflichtig war. Weil der kirchenangehörige Partner in drei Fällen nichts oder nur wenig verdiente, wurde von ihm das sogenannte besondere Kirchgeld erhoben. Bei dem vierten Paar ging es um die normale Kirchensteuer. Der strittige Punkt in allen Fällen war nach Darstellung des Gerichtshofes, dass für die Berechnung der Höhe des Kirchgelds beziehungsweise der Kirchensteuer auch das Einkommen des Partners berücksichtigt wurde, der keiner Kirche angehörte.
Das wurde angefochten. Unter anderem wurde argumentiert, dass das Kirchenmitglied für die Zahlung des Kirchgeldes auf den Partner angewiesen sei, weil dessen höheres Einkommen die Höhe des Kirchgeldes mitbestimme. Dadurch werde die Religionsfreiheit verletzt. Außerdem wurden Verletzungen des Diskriminierungsverbotes, des Rechts auf Eheschließung und des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens geltend gemacht.
Kirchensteuer beeinträchtigt Religionsfreiheit nicht
Der Menschenrechtsgerichtshof wies die meisten Klagepunkte als unzulässig zurück. Ein Hauptargument lautete, dass die Kirchensteuer von den jeweiligen Kirchen erhoben werde und die Mitgliedschaft darin freiwillig sei. Eine Kirchensteuer "als solche beeinträchtigt die Religionsfreiheit nicht, insofern die staatliche Gesetzgebung vorsieht, dass man die Kirche verlassen kann", heißt es im Urteil. Dies bezog sich vor allem auf die Fälle, in denen das Kirchenmitglied geklagt hatte.
In einem anderen Fall hingegen gaben die Richter dem Kläger teilweise recht. Der konfessionslose Mann aus Baden-Württemberg hatte sich wie die anderen Paare gemeinsam mit seiner Frau zur Einkommensteuer veranlagen lassen. Dabei war das Kirchgeld der Frau von einem Erstattungsanspruch für ihn abgezogen worden. Damit habe der Staat den Mann indirekt für eine religiöse Organisation zahlen lassen und so seine Religionsfreiheit eingeschränkt, befand das Gericht.
Allerdings sind Einschränkungen der Religionsfreiheit noch keine Verletzung und können rechtens sein. Als legitimen Grund für die Einschränkung führte das Gericht das "öffentliche Interesse an einer effizienten Eintreibung von Steuern, einschließlich der Kirchensteuern" an und bezog sich damit auf die gemeinsame Steuererklärung. Von entscheidender Bedeutung dabei war zweierlei. Erstens hätte der Mann den Abzug nur zeitweise erdulden und sich das Geld zurückerstatten lassen können. Zweitens habe überhaupt erst die von dem Paar verlangte gemeinsame Veranlagung zu dem Abzug geführt.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zeigte sich über das Urteil erfreut. "Jedes Kirchenmitglied soll entsprechend seiner Leistungsfähigkeit zur Finanzierung der Kirche beitragen. Dieser Grundsatz, dem das besondere Kirchgeld Rechnung trägt, ist durch die heutigen Entscheidungen bestätigt worden", erklärte ein Sprecher. Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck begrüßte das Urteil. Dieses mache klar: "Die Kirchensteuer ist im Wesentlichen eine Angelegenheit zwischen den Gläubigen und ihrer Kirche oder Religionsgemeinschaft."