Dieser Paradigmenwechsel müsse aber an Fahrt gewinnen, damit die Hoffnungen der großen Mehrheit der Katholiken auf eine Fortentwicklung der kirchlichen Lehre und Praxis nicht endgültig enttäuscht würden.
Das päpstliche Schreiben habe viel Unruhe in der Kirche ausgelöst: "Diesmal sind es vor allem Kardinäle, Bischöfe und Theologen, die sich der dringend notwendigen Weiterentwicklung der katholischen Sexualethik, Pastoral und Familientheologie auf der Grundlage der Aussagen der Schrift, des Zweiten Vatikanischen Konzils und auch der Erkenntnisse der Humanwissenschaften verweigern", erklärte "Wir sind Kirche". Die Bischöfe sollten den grundlegenden Reformkurs von Papst Franziskus "viel konsequenter als bisher und gemeinsam" unterstützen, verlangte die Reformbewegung. "Amoris laetitia" müsse außerdem weiter theologisch vertieft sowie in der Pastoral umgesetzt werden. Das daraus resultierende Handeln der Bischöfe und der Kirchen vor Ort sei "eine Nagelprobe" für die Reformfähigkeit der gesamten Kirche.
Mehr Realismus im Umgang mit Familien
In seinem nachsynodalen Schreiben "Amoris laetitia" (Die Freude der Liebe) vom 8. April 2016 hatte Papst Franziskus die kontrovers geführten Diskussionen der beiden Bischofssynoden zu Ehe und Familie zusammengeführt, die in den zwei Jahren zuvor getagt hatten und die beratenden Charakter hatten. Konkrete Vorgaben für eine Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion vermied der Papst. Er forderte die katholische Kirche aber zu mehr Realismus im Umgang mit Familien auf. Generell müsse den Gläubigen mehr Raum für Gewissensentscheidungen gegeben werden.
Mit Blick auf Homosexuelle forderte Franziskus die Katholiken auf, solche Lebensweisen anzuerkennen, die den Partnern Stabilität und Halt geben. Die Kirche müsse ihnen eine "respektvolle Begleitung" gewährleisten. Eine Gleichstellung mit der Ehe schloss er jedoch aus.
Die Bischöfe in Deutschland erklärten im Februar in ihrem Wort zum Papst-Schreiben, dass die Kirche in Deutschland wiederverheiratete Geschiedene in begründeten Einzelfällen zur Eucharistie zulassen wolle. Allerdings gebe es in dieser Frage keine allgemeine Regelung und keinen Automatismus in Richtung einer generellen Zulassung. Bislang werden Geschiedene nach einer Wiederheirat zusammen mit ihrem neuen Partner in der Regel nicht zum Sakrament der Eucharistie - und der Buße - zugelassen, weil sie sich nach offizieller katholischer Lehre im Zustand der Sünde befinden.