Spitzelvorwürfe gegen Imame, islamistische Moscheegemeinden, undurchsichtige Verbandsstrukturen: Der Dialog zwischen Staat und Muslimen bleibt kompliziert. Zum Ende der inzwischen dritten Deutschen Islamkonferenz zog Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Dienstag eine grundsätzliche Bilanz. Sein Fazit: Es wurde viel erreicht. Wie es weitergeht, ist dennoch offen. Deutlich wurde er gegenüber dem Moscheeverband Ditib, dessen Imame im Auftrag der Türkei Gläubige bespitzelt haben sollen.
"Ungelöste Konflikte Dritter und Ansprüche Dritter haben hier keinen Platz."
Die aktuellen Ereignisse um den Verband, der organisatorisch eng mit der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet verbunden ist, seien besorgniserregend, sagte de Maizière. Wenn die Spitzel-Berichte stimmen, sei das inakzeptabel.
Ditib-Imamen wird vorgeworfen, Anhänger des Predigers Fethullah Gülen ausgespäht zu haben, den der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan für den Putschversuch im vergangenen Jahr verantwortlich macht. Der Generalbundesanwalt ermittelt in dem Fall. Für Ditib gehe es aber um mehr als um den Ausgang dieses Verfahrens, betonte die Maizière. Der Verband müsse Autonomie und Eigenständigkeit erreichen und transparenter werden. Eine Gemeinschaft, die auf diese Weise aus dem Ausland beeinflusst wird, erfülle nicht die Voraussetzung einer Religionsgemeinschaft in Deutschland. "Ungelöste Konflikte Dritter und Ansprüche Dritter haben hier keinen Platz", sagte der Minister.
Aktuelle Ereignisse überlagern die Sitzung
Die Anspannung im deutsch-türkischen Verhältnis - die auch im Fall Ditib deutlich wird - überschattete die letzte Sitzung des Lenkungsausschusses der Islamkonferenz in dieser Legislaturperiode. Dass aktuelle Entwicklungen die Sitzungen überlagern, missfiel vielen Muslimvertretern in der Vergangenheit. De Maizière verteidigte das: Die Islamkonferenz werde nur relevant bleiben können, "wenn sie aktuelle Entwicklungen aufgreift, auch wenn sie dies dem Risiko einer kontroversen Debatte aussetzt".
Als Bundesinnenminister hatte er wie seine Vorgänger das Dialogforum zwischen Islam und Staat fortgesetzt. Wie es nach der Bundestagswahl nun weitergeht, bleibt zunächst offen. De Maizière wünscht sich einen gesellschaftlichen Dialog über das Ob und Wie der Konferenz. Er betonte aber auch, das vor rund zehn Jahren ins Leben gerufene Forum sei eine Errungenschaft, auf seine Art einzigartig und daher bewahrenswert. Es müsse aber künftig auch darauf reagiert werden, dass sich das Bild der Muslime in Deutschland durch Zuwanderung verändert. Der Anteil türkischstämmiger Muslime werde zurückgehen, weil die Zahl von Sunniten mit arabischen und Schiiten mit iranischen Wurzeln zunehmen werde, erklärte der CDU-Politiker.
Muslimische Wohlfahrt und Seelsorge in öffentlichen Einrichtungen
Konkret beschäftigte sich die Islamkonferenz in dieser Wahlperiode mit der Etablierung muslimischer Wohlfahrt und Seelsorge in öffentlichen Einrichtungen. Am Dienstag legte der Lenkungsausschuss Empfehlungen für Seelsorge in Krankenhäusern, Gefängnissen und der Bundeswehr vor. Seelsorge sei ein verbrieftes Recht der Religionsgemeinschaften, sagte der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime, Erol Pürlü. Es gehe etwa darum, auch in öffentlichen Anstalten Kranken beizustehen, Orientierung zu geben und Trost zu spenden.
Für die Umsetzung sind im Fall der Krankenhäuser die Kommunen zuständig, für den Bereich der Justizvollzugsanstalten die Länder. Der Vorsitzende der Justizministerkonferenz, der rheinland-pfälzische Ressortchef Herbert Mertin (FDP), versprach, eine entsprechende Arbeitsgruppe anzustoßen.
Auch für den Bereich der Militärseelsorge schlägt die Islamkonferenz eine Arbeitsgruppe beim dafür zuständigen Bundesverteidigungsministerium vor. Zu klärende Fragen bleiben vor allem bei der Seelsorge in der Bundeswehr und den Gefängnissen: Standards für die Ausbildung der Seelsorger müssen entwickelt und Sicherheitsanforderungen erfüllt werden. Und am Ende bleibt auch die Frage nach der Finanzierung der Seelsorger noch weitgehend offen, denn anders als die Kirchen sind die Islamverbände keine Körperschaften, die Steuern bekommen.