Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat die Wahl eines von der Türkei entsandten Imams in den Vorstand des muslimischen Ditib-Landesverbandes kritisiert. "Die Landesregierung könnte nicht akzeptieren, wenn nun auch die Vorstandsstrukturen von Ditib Niedersachsen aus der Türkei kontrolliert werden sollten", schreibt Weil in einem Brief an den Ditib-Vorsitzenden Yilmaz Kilic, der dem epd vorliegt. Auch Kilic will den am vergangenen Wochenende in den Vorstand gewählten Imam wieder loswerden. "Wir wollen ein neutraler und unabhängiger Ansprechpartner für die Landesregierung sein", sagte er am Freitag dem epd.
Das Land hatte im Januar einen geplanten Rahmenvertrag mit den islamischen Verbänden auf Eis gelegt. Zunächst müsse insbesondere die Unabhängigkeit des bundesweiten Ditib-Verbandes geklärt werden, hieß es. Kritiker hatten Ditib eine zu große Nähe zur Türkei vorgeworfen. Der mit rund 900 Moscheegemeinden größte Islamverband in Deutschland kooperiert eng mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet, die Imame für deutsche Gemeinden entsendet. Der Verband steht zudem wegen einer Spitzelaffäre in der Kritik. Imame sollen Informationen über Anhänger des Predigers Fethullah Gülen an die türkische Regierung weitergegeben haben.
Auch diese Affäre zieht Kreise nach Niedersachsen. Weil zufolge gibt es bei den Sicherheitsbehörden seit jüngstem einen Verdacht über mögliche Spitzeltätigkeiten eines Imams in Braunschweig. Kilic betonte: "Sollte sich der Verdacht bestätigen, muss der Imam Niedersachsen verlassen. So einfach ist das. So etwas akzeptieren wir nicht als Religionsgemeinschaft. Das ist strafbar."
Kilic räumte ein, es sei problematisch, wenn ein Vorstandsmitglied als Imam von der Türkei bezahlt werde, auch wenn dieser in Deutschland aufgewachsen sei und Abitur gemacht habe. Er habe deshalb den Bundesvorstand gebeten, dafür zu sorgen, dass der Mann wieder aus dem Vorstand ausscheide. Er habe erst einen Tag vor der Mitgliederversammlung von dem Kandidaten, den er persönlich schätze, erfahren, sagte Kilic. "Wir haben dann Widerspruch eingelegt, aber leider konnten wir das nicht klären."
Weils hatte geschrieben, Ditib Niedersachsen habe bisher als fortschrittliche Organisation innerhalb des Bundesverbandes gegolten. Kilic sei stets ein vertrauenswürdiger Partner gewesen. Er bitte ihn deshalb, die neue und überflüssige Hürde aus dem Weg zu räumen.
Das Land verhandelt seit 2013 über den Vertrag mit Ditib sowie dem muslimischen Verband Schura und der Gemeinschaft der Aleviten. Der Vertrag sah etwa Regelungen zum islamischen Religionsunterricht, zur Seelsorge in Krankenhäusern und Gefängnissen sowie zum Moscheebau und Bestattungswesen vor. Ditib vertritt in Niedersachsen nach eigenen Angaben 90 Moscheegemeinden mit bis zu 80.000 Muslimen. Derzeit würden im Land 110 Imame beschäftigt, hieß es, die meisten davon kämen aus der Türkei.