Vegetarier sind nach Einschätzung der Bremer Ernährungsexpertin Helga Strube keineswegs automatisch die besseren Umweltschützer. "Wenn Vegetarier überwiegend Obst und Gemüse aus Übersee kaufen, mit dem Auto zum Supermarkt fahren und keinen klimafreundlichen Kühlschrank besitzen - wie steht es da mit dem Umweltschutz?", sagte die Ernährungsmedizinische Beraterin des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Das Umweltbundesamt hatte Anfang Januar eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf tierische Nahrungsmittel von sieben auf 19 Prozent gefordert. Reaktionen darauf in sozialen Netzwerken legten nahe, dass Vegetarier automatisch umweltfreundlicher lebten als Fleischesser.
Studien zufolge könne die persönliche Klimabilanz durch eine bewusste und vegetarische Lebensweise um 60 Prozent verbessert werden, betonte Strube. Zudem diene eine Ernährung mit mehr pflanzlichen Lebensmitteln auch der Gesundheit. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfehle deshalb, nicht mehr als zweimal in der Woche Fleisch zu essen. "Die Rückkehr zum Sonntagsbraten wäre ein guter Weg."
Verbote oder von oben verordnete Regeln sieht Strube kritisch. "Extreme Lösungen kommen in der Gesellschaft schlecht an, das führt zu Abwehr." Eine Fleischsteuer klinge auf den ersten Blick gut, denn Fleisch sei generell zu billig geworden. Allerdings würde dadurch auch artgerecht produziertes Biofleisch teurer und für einkommensschwache Verbraucher nicht mehr erschwinglich.
Um den eigenen sogenannten ökologischen Fußabdruck zu verringern, helfe beispielsweise der Einkauf von Bio-Produkten, sagte die Ernährungsexpertin. Ökolandbau produziere rund 20 Prozent weniger Methan und CO2 als die konventionelle Landwirtschaft. Doch auch Obst und Gemüse aus biologischem Anbau müssten kritisch geprüft werden. So führe die hohe Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln dazu, dass bereits im März Bio-Kartoffeln aus Ägypten oder Marokko angeboten werden. "Alles, was mit dem Flugzeug kommt, ist der schlimmste Klimakiller."
Deutlich umweltfreundlicher sei es, auf regionale Lebensmittel zurückzugreifen, erläuterte Strube. Verbraucher sollten jedoch auf saisonale Produkte achten, denn Obst und Gemüse zu kühlen, verbrauche viel Energie. "Ein frisch gepflückter Apfel aus Chile, der per Schiff statt per Flugzeug nach Deutschland verfrachtet wird, schneidet im Frühjahr unter Umständen ähnlich gut ab, wie ein Apfel aus dem Alten Land, der über Monate gelagert wird."