Nur das Land Brandenburg hat ein Bleiberecht für Opfer rechter Gewaltstraftaten angeordnet. Das ergab eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) bei den zuständigen Ministerien der Bundesländer. Das brandenburgische Innenministerium hatte kurz vor Weihnachten einen entsprechenden Erlass an die Ausländerbehörden in den Landkreisen und kreisfreien Städten herausgegeben. Demnach sollen Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt worden war und die Opfer oder Zeugen rechter Gewalttaten wurden, mindestens bis zum Abschluss der Ermittlungs- und Strafverfahren nicht ausgewiesen werden - in enger Absprache mit der Staatsanwaltschaft und Strafgerichten.
In dem Erlass ist zur Begründung genannt, dem Opfer solle Sicherheit und Schutz geboten werden und es solle eine Wiedergutmachung erfahren. Das seien dringende humanitäre Gründe im Sinne des Aufenthaltsgesetzes des Bundes. Auf der Grundlage des geltenden Rechts sollten alle Ermessensspielräume genutzt werden. In besonders schweren Fällen soll den Opfern ein befristeter Aufenthalt auch nach Ende der Strafverfahren genehmigt werden. Dies kann zum Beispiel dann zum Tragen kommen, wenn für das Opfer noch eine Behandlung im Krankenhaus ansteht. Mit dem Erlass des Innenministeriums wurde ein Beschluss des Landtags umgesetzt.
In Berlin prüft aktuell der Senat laut Innensenator Andreas Geisel (SPD), sich dem Brandenburger Erlass anzuschließen. Andere Länder wollen das weitere Vorgehen allgemein prüfen, darunter Schleswig-Holstein und Thüringen. Das rheinland-pfälzische Integrationsministerium erklärte, die Initiative aus Brandenburg sei "sehr interessant". Schon jetzt könnten Opfer schwerer Gewalttaten über eine Härtefallregelung ein Aufenthaltsrecht erhalten.
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Das bayerische Innenministerium teilte hingegen mit, für einen solchen Erlass sehe man keinen Bedarf. "Seitens der Länder sollten alle generellen Maßnahmen unterlassen werden, die zu neuen Abschiebungshindernissen führen", erklärte das Ministerium. Auch aus weiteren Ländern wie beispielsweise Hessen heißt es, eine entsprechende Regelung sei momentan nicht angedacht. Die Hamburger Innenbehörde teilte mit, es gebe bislang keinen Betroffenen und daher auch keinen Handlungsbedarf.
Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl begrüßte den Brandenburger Erlass. "Wir würden uns freuen, wenn es anderswo auch überlegt würde", sagte der stellvertretende Geschäftsführer Bernd Mesovic dem epd. "Es wäre sowohl ein Zeichen der Gerechtigkeit für die Opfer als auch ein Zeichen an die rechtsextremen Täter, dass sie ihr Ziel der Vertreibung nicht erreichen."
"Deutliches Zeichen gegen rassistische Gewalt"
Die Opferberatungsstellen in den Ländern lobten den Brandenburger Erlass ebenfalls. Das Land setze damit ein deutliches Zeichen gegen rassistische Gewalt und die menschenverachtende Intention rechter und rassistischer Gewalttäter, heißt es in einer Erklärung des Bundesverbandes der Beratungsstellen. Dem Verband gehören zwölf Beratungsstellen in elf Ländern an. "Die Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt erwarten, dass nun auch in anderen Bundesländern und auf Bundesebene zügig die Schaffung eines Aufenthaltsrechtes für Betroffene rassistischer Gewalt angestrebt wird", erklärte Robert Kusche von der sächsischen Opferberatungsstelle RAA.
Die Regelung in Brandenburg sei "ein Schritt in die richtige Richtung", sagte die innenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, dem epd. "Es kann nicht angehen, dass Neonazis Flüchtlinge angreifen und terrorisieren, um sie zu vertreiben, und die Behörden daraufhin die Opfer abschieben." Im November vergangenen Jahres hatte der Bundestag mit den Stimmen der großen Koalition einen Gesetzentwurf der Linken abgelehnt, mit dem ein bedingungsloses Bleiberecht für Opfer rechter Gewalt eingeführt werden sollte.