Der Theologe verwies auf die Sorge des Papstes um die "gequälte Schöpfung". Er hob auch die Gesten der Versöhnung mit führenden Befreiungstheologen hervor, die von Franziskus im Vatikan empfangen worden waren. "Franziskus ist einer von uns", sagte der Befreiungstheologe.
Die Befreiungstheologie war von Papst Johannes Paul II. und dem damaligen Kardinal Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., wegen zu großer Nähe zum Marxismus verurteilt worden. Boff gehört zu den Begründern und profiliertesten Verfechtern dieser Strömung, die sich der Befreiung der Armen aus Not und Unterdrückung verschrieben hat. Durch sein Engagement für eine "Kirche von unten" war Boff in Konflikt mit dem Vatikan geraten. Mehrfach wurde er mit Schweigegebot belegt. Als Konsequenz daraus zog sich der Brasilianer 1992 vom Priesteramt zurück, ein Jahr später heiratete er.
Boff rechnet mit weiteren Reformschritten des Papstes, etwa bei dem Wiedereinsatz verheirateter Priester in der Seelsorge. Das sei eine ausdrückliche Bitte der brasilianischen Bischöfe an den Papst, sagte Boff. Papst Franziskus wolle dieser Bitte zunächst für eine Experimentier-Phase in Brasilien entsprechen, sagte der Theologe unter Berufung auf Informationen aus der Umgebung des Papstes. Er verwies auf die Hoffnung, dass sich damit der Priestermangel abmildern werde. "Zugleich wäre es ein Impuls, dass die katholische Kirche die Fessel des Pflichtzölibats löst."
Der ehemalige Franziskanerpater erklärte, auch er selbst habe nach seiner Amtsniederlegung 1992 weiterhin priesterliche Funktionen ausgeübt. Das hätten Bischöfe in seinem Heimatland ausdrücklich gebilligt. "Bisher hat kein Bischof, den ich kenne, das je beanstandet oder gar verboten."