Frankfurt a.M. (epd). "Luthertexte sind ein steter Quell der Sprachschöpfungslust, das schiere Gegenteil zu dem geistlähmenden, blutleeren Jargon, zu dem die deutsche Sprache heute weitestgehend verkommen ist", sagte Thea Dorn dem Evangelischen Pressedienst (epd). Hätte es im 16. Jahrhundert schon Nobelpreise gegeben, hätte Luther (1483-1546) den Preis für Literatur verdient gehabt. Den Bibelübersetzer Luther bezeichnete Dorn als einen der "sprachmächtigsten Deutschen". "Unsere Muttersprache ist in Wahrheit immer auch eine Luthersprache", sagte die Autorin und verwies etwa auf die Erfindung "so herrlich plastischer Wörter" wie "Blutgeld", "Feuereifer", "Menschenfischer", "Morgenland", "Schädelstätte" und "plappern".
Auf Erbe Luthers besinnen
In ihrem Buch "Die deutsche Seele" (2011) und noch stärker in ihrem jüngsten Roman "Die Unglückseligen" (2016) habe sie versucht, Leser erfahren zu lassen, welch geradezu musikalischen Möglichkeiten die deutsche Sprache hergebe - "wenn man nur weniger lieb- und einfallslos mit ihr umgeht, als dies heute der Fall ist".
Vor dem Start in das Jubiläumsjahr zu 500 Jahren Reformation, das auf den Thesenanschlag des Reformators im Jahr 1517 zurückgeht, empfahl Dorn den Deutschen, sich auf mehr lutherische "Innerlichkeit" einzulassen. Die radikale Neudeutung des Christentums durch den Reformator, die Vorstellung, "dass selbst die besten Taten nur dann etwas wert sind, wenn sie einem recht gestimmten Herzen entspringen, prägt uns Deutsche bis heute", sagte sie.
Angesichts von Verunsicherung und geistig-seelischer Unbehaustheit in einer globalisierten Welt lohne die Rückbesinnung auf dieses Erbe Luthers, wonach Seelenfrieden nicht zu gewinnen ist, wenn man sich an Heilsrezepten orientiert, die von außen angeboten werden. Als Beispiel nannte Dorn den "aktuellen Gesundheits- und Fitnesswahn": "Wenn die Seele nicht dabei ist, sind all diese Verrenkungen und Selbstdisziplinierungen vergeblich."