In dem nahezu voll besetzten gold-blauen Kuppelsaal der historischen Westend-Synagoge erhielten die drei jungen Männer ihre Ordinationsurkunden überreicht. Unter den Gästen befanden sich der Vorstandsvorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, und der Trierer Weihbischof Jörg Michael Peters für die katholische Deutsche Bischofskonferenz.
"Die Ordination neuer Rabbiner zeigt wie kaum ein anderes Ereignis die Stärke unserer Gemeinschaft", sagte der Zentralrats-Präsident Josef Schuster. Er warnte, dass durch den Erfolg der Partei AfD und anderer Rechtspopulisten sowie der steigenden Zahl von Islamisten "ein kalter, heftiger Wind durch Deutschland" blase. "Sie hetzen auf, statt zu verbinden. Sie ziehen Menschen in den Schmutz, statt ihnen mit Respekt zu begegnen", sagte er. Dem setzten die jüdischen Gemeinden ihre Werte und Gebote entgegen. "Wir zeigen, dass das geht. Wir lassen unsere Werte nicht einfach wegpusten. Das haben wir schon über Jahrtausende bewiesen", betonte Schuster.
"Grund zu verhaltener Zuversicht"
Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) nannte die Feier einen historischen Tag. "Mit dieser Ordination kehren wir zurück zu unserer Geschichte und unserer Kultur." Das jüdische Leben habe wieder einen festen Platz in der deutschen Gesellschaft. Die Perspektive des jüdischen Glaubens sei für die gesamte Gesellschaft eine Bereicherung. "Wir brauchen eine Gesellschaft mit Respekt, Mitgefühl und ohne Hass", sagte Bouffier. An Schuster gewandt sicherte er zu, Israel- und Judenfeindlichkeit "dulden wir nicht".
"Die heutige Feierstunde ist Ausdruck von wachsender Hoffnung und vorsichtigem Vertrauen in die Weiterentwicklung jüdischen Lebens in Deutschland", sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main, Salomon Korn. Deutschland werde aus jüdischer Sicht immer mit Blut, Schmerz und Trauer verbunden sein. Die Ordination neuer Rabbiner bedeute, dass Juden die Zukunft ihrer Gemeinschaft hierzulande "nicht weiterhin grundsätzlich infrage stellen". Es "gibt Grund zu verhaltener Zuversicht", sagte Korn.
Der Rektor des Rabbinerseminars Berlin, Dayan Chanoch Ehrentreu, überreichte die Ordinationsurkunden. Er könne sich noch an das Brennen der Heiligen Schrift in der Pogromnacht 1938 erinnern, sagte der 1932 in Frankfurt Geborene. "Wer hätte sich vor 70 Jahren vorstellen können, dass es wieder ein blühendes jüdisches Leben gibt?" Aber der Geist Gottes sei ewig und könne nicht verbrannt werden.
"Ich freue mich über den Tag", sagte der Vorstandsvorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, am Rande der Feier. Schuster habe in seiner Rede auch die Bedrohung der Muslime durch den rechten politischen Rand in Deutschland angesprochen, betonte er. Der Zentralrat der Muslime würde seinerseits auch jüdische Vertreter einladen, um ihnen Raum für ihre Sorgen zu geben.
Abwechselnd werden Liberale und Orthodoxe ordiniert
Die drei ordinierten Theologen haben ihre Ausbildung am orthodoxen Rabbinerseminar in Berlin abgeschlossen. Sie sind als Gemeinderabbiner in Erfurt sowie als Landesrabbiner von Thüringen, als Assistenzrabbiner in Osnabrück und in der gleichen Funktion in Leipzig tätig. Seit 2009 werden wieder orthodoxe Rabbiner in Deutschland ordiniert. In jenem Jahr wurde auch das Rabbinerseminar in Berlin als Nachfolgeinstitution für das 1938 durch die Nationalsozialisten geschlossene Hildesheimersche Rabbinerseminar in Berlin gegründet. Bisher wurden nach Angaben des Zentralrats in München, Leipzig, Köln, Würzburg und nun Frankfurt insgesamt elf orthodoxe Rabbiner nach einem Studium zu Geistlichen erklärt.
Angehende Rabbiner der liberalen Richtung können in dem 1999 gegründeten Abraham-Geiger-Kolleg an der Universität Potsdam ihr Studium absolvieren. Es steht nach eigenen Angaben in der Tradition der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums, die 1942 von den Nationalsozialisten geschlossen wurde. Die erste Ordination eines liberalen Rabbiners in Deutschland nach 1945 fand 2006 in Dresden statt. Meistens gibt es nach Angaben des Zentralrats abwechselnd in einem Jahr eine Ordination liberaler Rabbiner und im anderen Jahr eine Ordination orthodoxer Rabbiner.