"Die Prognosen für das Wahlergebnis der AfD haben sich nicht bewahrheitet", betonte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, in einer Stellungnahme am Sonntagabend in Berlin. Dennoch habe die rechtspopulistische Partei "einen beachtlichen Wahlerfolg erzielt und hat die Möglichkeit einer demokratischen Meinungsbildung für sich genutzt". Nun müssten sich die gewählten Vertreter auch als Demokraten erweisen, die die Werte der freiheitlichen Gesellschaft achten, mahnte Dröge.
Sein Amtskollege, der katholische Erzbischof Heiner Koch, betonte: "Ich verstehe das Wahlergebnis als Einladung, schöpferisch und sachbezogen um der Menschen Willen zusammenzuarbeiten. Das erhoffe ich für das neue Abgeordnetenhaus und den neuen Senat, das gilt aber auch für die Opposition."
Zukünftig buntes Abgeordnetenhaus
Zugleich bezeichnete Koch den Wahlausgang in Berlin als "vielleicht nicht den Tag der großen Volksparteien". Dafür werde das künftige Abgeordnetenhaus sehr bunt sein, "ein Spiegel der Berliner Gesellschaft, in der es auch keine glatten Mehrheiten, aber viele Minderheiten gibt". Koch zeigte sich zudem erfreut über die starke Wahlbeteiligung. Er warnte davor, bestimmten Wählern zu sagen, sie hätten falsch gewählt. "Als Demokraten müssen wir vielmehr nach den Gründen fragen", so Koch.
"Als evangelische Christen wissen wir, dass es nur in einer gemeinsamen Verantwortung von Regierenden und Regierten gelingen kann, der Stadt Bestes zu suchen", betonte Dröge weiter. Auch in den kommenden fünf Jahre sei die evangelische Kirche bereit, ein kritischer, aber verlässlicher Partner von Parlament und Senat zu sein. "Nun kommt es darauf an, dass Berlin eine neue Regierung erhält, die mit dem durch die Wahlen erhalten Mandat - vor Gott und den Menschen - verantwortungsvoll umgeht."
Schuster entsetzt über Abschneiden der AfD
Der evangelische Landesbischof wünschte allen, die an der Regierungsbildung beteiligt sein werden, Besonnenheit, Augenmaß und unermüdliche Einsatzbereitschaft für ein weltoffenes und tolerantes Berlin. Er dankte auch den ehrenamtlichen Wahlhelfern. Die Erfahrung aus der Geschichte zeigte, dass auch die Regierten Verantwortung für das Gemeinwohl tragen.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, zeigte sich indes enttäuscht über den Einzug der AfD ins Berliner Abgeordnetenhaus. Leider seien die Rechtspopulisten jetzt auch in der Bundeshauptstadt vertreten. Auch in Berlin sei es ihnen "offenbar gelungen, die Unzufriedenheit vieler Bürger mit der herrschenden Politik nicht nur aufzugreifen, sondern mit populistischen Parolen zu schüren", so Schuster. Er zeigte sich skeptisch, ob die AfD in Berlin in der Lage sein werde, sich klar von Rechtsradikalen in ihren Reihen zu distanzieren. Die etablierten Parteien sollten das Wahlergebnis sehr ernst nehmen und Wege suchen, "um wieder einen besseren Draht zu den Bürgern zu entwickeln", sagte der Zentralratspräsident.
Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus war am Sonntag nach der Hochrechnung von Infratest Dimap von 18.46 Uhr die SPD mit 23,2 Prozent der Stimmen als stärkste Kraft hervorgegangen. Die CDU erreichte demnach 17,9 Prozent. Drittstärkste Kraft in der Bundeshauptstadt wurden die Grünen mit 16,7 Prozent, dicht gefolgt von der Linken mit 16,2 Prozent. Die rechtspopulistische AfD erhielt 11,8 Prozent der Wählerstimmen und zieht damit erstmals ins Berliner Abgeordnetenhaus ein. Auch die FDP schaffte den Wiedereinzug ins Landesparlament mit 6,5 Prozent.