Erstmals seit Jahren haben am Samstag in Bad Nenndorf bei Hannover keine Neonazis, sondern ausschließlich Gegner der Rechtsextremen demonstriert. Die Aktionen mit rund 250 Teilnehmern seien friedlich und entspannt abgelaufen, sagte ein Polizeisprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Hier hat der friedliche, der bunte Widerstand zum Erfolg geführt", sagte zu Beginn des Protesttages in einem ökumenischen Gottesdienst der Geistliche Vizepräsident des hannoverschen Landeskirchenamtes, Arend de Vries.
Seit 2006 waren immer am ersten Augustwochenende Neonazis zu einem "Trauermarsch" in die Kurstadt am Deister - im vergangenen Jahr waren es noch rund 180. Ziel war das "Wincklerbad", in dem sich von 1945 bis 1947 ein Internierungslager und Verhörzentrum der britischen Armee für Nazis befunden hatte. Für dieses Jahr hatten die Rechtsextremisten ihre Veranstaltung vor drei Wochen ohne Angabe von Gründen abgesagt. Dies sei vor allem darauf zurückzuführen, dass die Bürger nicht müde geworden seien, sich jahrelang kreativ und lautstark gegen Neonazis in ihrer Stadt zur Wehr zu setzen, teilte das örtliche Bündnis "Bad Nenndorf ist bunt" mit.
Doch die Plage sei nicht weg, warnte der Geistlich de Vries. "Im Gegenteil: Rechtes Denken ist präsenter denn je in unserer Gesellschaft. Wenn wir dem begegnen wollen, brauchen wir Klarheit und Klärung." Nötig seien auch Zivilcourage und politische Bildung. "Wir müssen Demokratie immer noch lernen, einüben - und wir brauchen Perspektiven für jede und jeden."
Wo die Familie als Anker ausfalle, echte Freunde fehlten und die Gesellschaft versage, hätten rechtsextreme Rattenfänger leichtes Spiel. "Wer nirgendwo Anerkennung, Vertrauen, Zuwendung erlebt, ist blind für den gefährlichen Weg, auf den Verblendete ihn locken." Deshalb müsse sich die Gesellschaft um jeden Einzelnen bemühen, mahnte der Theologe.
Bis 2030 sind Märsche der Neonazis angemeldet
In den zurückliegenden Jahren hatten die Bad Nenndorfer die Neonazis mit Schlumpfmützen, lauter Schlagermusik und Konfetti empfangen. Bündnismitglieder hatten sich den "unfreiwilligsten Spendenlauf Deutschlands" einfallen lassen und machten damit bundesweit Schlagzeilen: Für jede Minute unerwünschten Aufenthalts der Neonazis in der Kurstadt spendeten Privatleute und Unternehmer zehn Euro. Der Erlös floss an die Aussteigerorganisation "Exit".
Am Samstag hätten Gottesdienst, Kundgebungen, Fahrradkorso und Straßenfest "mehr an ein Volksfest mit sommerlicher und ausgeglichener Feststimmung erinnert, als an eine ursprünglich angedachte Protestveranstaltung", sagte Polizeiführer Michael Panitz.
Ob die Neonazis in den nächsten Jahren nicht doch wieder nach Bad Nenndorf kommen, bleibt trotzdem unklar. Ihre Märsche sind bis 2030 angemeldet. Doch wenn sie einmal unterbrochen seien, sei es schwer, sie wieder aufzunehmen, sagte Landrat Jörg Farr (parteilos) NDR Info.