Obwohl die Vereinten Nationen offiziell bestätigt hätten, dass die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) Völkermord an den Jesiden begehe, sei der Familiennachzug faktisch ausgesetzt, kritisierte der Sprecher des Zentralrates mit Sitz in Oldenburg, Holger Geisler, am Dienstag im Deutschlandfunk. Es könne nicht angehen, dass das Verbrechen an den Jesiden als Genozid gelte und die Menschen dann wie Wirtschaftsflüchtlinge behandelt würden.
Geisler zufolge verfolgt der "Islamische Staat" seit zwei Jahren im Nordirak die religiöse Minderheit der Jesiden. Frauen seien vergewaltigt und versklavt worden. 3.200 Frauen und Kinder seien noch in den Händen der Miliz. Über das Schicksal vieler Tausend anderer Jesiden wisse man aber nichts. "Die Geschichten sind nicht besser geworden, nur das Leiden ist länger geworden."
Rund 90 Prozent der jesidischen Flüchtlinge hätten Familien in Deutschland, betonte der Sprecher des Zentralrates. Dennoch dürften die Flüchtlinge nicht in die Bundesrepublik reisen, weil die Gesetzeslage einen Familiennachzug derzeit praktisch unmöglich mache.
Selbst wer nach Europa komme, sei noch lange nicht in Sicherheit. Auch in den griechischen Flüchtlingslagern seien die Jesiden täglich Übergriffen ausgesetzt. "Sie verlassen besser ausgestattete Lager, um in glaubenskonforme Lager zu gehen, wo sie unter so schlechten Bedingungen leben, die ich im Irak oder im Südosten der Türkei so nie vorgefunden habe", sagte Geisler.
Die Jesiden gehören zur Volksgruppe der Kurden. Sie sind aber keine Muslime, sondern bilden eine eigene Religionsgemeinschaft. Weltweit bekennen sich mindestens 800.000 Menschen zum jesidischen Glauben. Die Mehrheit von ihnen lebt im Nordirak.
Die brutale Gewalt der Terrormiliz "Islamischer Staat" gegen Jesiden im Nordirak seit dem Sommer 2014 löste weltweit Entsetzen aus. Tausende flohen in die kurdischen Autonomiegebiete und in die Türkei. In Deutschland leben nach Angaben des Zentralrates rund 80.000 Gläubige, die meisten in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.