Berlin (epd). "Atommüll-Kommission am Ende. Konflikte ungelöst": Bürgerinitiativen hatten ihr Fazit der Arbeit der Kommission zur Suche nach einem Endlager für radioaktiven Müll auf ein Banner gedruckt. Mehrere Dutzend Demonstranten waren am Dienstag mit Traktoren vor das Haus der Bundespressekonferenz in Berlin gezogen, wo der Abschlussbericht des vom Bundestag eingesetzten Gremiums vorgestellt wurde.
Die Kommission sollte Kriterien für ein Endlager formulieren und ein Verfahren zur Auswahl eines Standorts vorschlagen. Besetzt mit Experten aus Wissenschaft und Gesellschaft sowie Politikern aus Bund und Ländern sollte sie einen möglichst breiten Konsens erzielen. Doch Umweltverbände und Initiativen laufen Sturm. Besonders stört sie, dass der umstrittene Standort Gorleben nicht endgültig verworfen wurde.
Keine Standortvorschläge
Die Kommission machte keine konkreten Standortvorschläge. Das war auch nicht ihre Aufgabe. Geleitet vom Prinzip der "weißen Landkarte" ohne Vorfestlegungen auf einzelne Regionen analysierte sie, welche Bedingungen ein Endlager erfüllen soll, das insbesondere den hoch radioaktiven Abfall aus der Energieerzeugung für eine Million Jahre sicher einschließen soll. Anhand dieser Kriterien soll neu gesucht werden - es ist quasi ein Zurück auf Los bei der Endlager-Suche.
Die Kommission plädiert für die Lagerung in Gestein mindestens 300 Meter unter der Geländeoberfläche, ohne dabei eine Gesteinsart auszuschließen. Möglich wäre also ein Endlager in Salz, Ton oder Kristallin (Granit). Voraussetzung soll nach Auffassung der Kommission sein, dass das Lager "bergbar" ist, der Müll also bei Bedarf auch wieder herauszuholen ist. Dies sei eine Lehre aus den Erfahrungen der Asse, erklärte die Kommissionsvorsitzende Ursula Heinen-Esser (CDU).
Dreistufiges Verfahren empfohlen
Für die Auswahl des Standortes schlägt die Kommission ein dreistufiges Verfahren vor: Zunächst sollen Regionen ausgewählt, dann zunächst übertägig, später auch untertägig untersucht werden, um in einem vergleichenden Verfahren zum bestmöglichen Standort zu gelangen. Bei jedem Schritt sollen die Öffentlichkeit und ein bereits vom Bundestag bestimmtes Begleitgremium eingebunden werden. Zudem sollen Bundestag und Bundesrat über jede Phase abstimmen.
Im vergleichenden Verfahren bleibt auch Gorleben. Die Kommission war dabei geteilter Meinung. Er habe dafür plädiert, den Standort auszuschließen, weil er "politisch verbrannt" sei, sagte der zweite Vorsitzende Michael Müller (SPD). Andere Kommissionsmitglieder wollten den Standort aber im Verfahren behalten, um keinen Präzedenzfall gegen die "weiße Landkarte" zu schaffen.
BUND stimmt gegen den Bericht
Bei den Verbänden stößt das auf Protest. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) stimmte unter anderem deswegen als einziger gegen den Abschlussbericht. Stimmberechtigt waren die 16 Vertreter aus Wissenschaft und Gesellschaft. Die 16 Politiker aus Bund und Ländern hatten ebenso wie die Vorsitzenden Heinen-Esser und Müller kein Stimmrecht. Neben dem BUND legten aber noch fünf weitere Vertreter Sondervoten zum Abschlussbericht ein, darunter Sachsen und Bayern, die ihre Regionen von vornherein für untauglich erklären.
Diese Voten - von einigen verstanden als Verstoß gegen das Prinzip der "weißen Landkarte", zu dem sich alle Länder bekannt hatten - sorgen ebenso für Empörung wie die Gorleben-Entscheidung. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) betonte: "Das Prinzip der weißen Landkarte gilt nicht nur für Gorleben, sondern für das gesamte Bundesgebiet."
Suche bis 2031
Nach den bisherigen Plänen der Bundesregierung soll bis 2031 ein Standort gefunden sein, ein Endlager ab 2050 bestückt werden. Die Kommission äußerte an diesem Zeitplan Zweifel, wollte ihn aber nicht komplett verwerfen. Aufgabe der Politik ist es nun, die Empfehlungen der Kommission im 2013 verabschiedeten Standortauswahlgesetz zu verankern. Die Standortsuche soll dann vor allem vom Bundesamt für kerntechnische Entsorgung anhand wissenschaftsbasierter Fakten koordiniert werden.
Vertreter von Bürgerinitiativen warfen der Endlager-Kommission vor, die Chance zu einer neuen gesellschaftlichen Vertrauensbasis für die künftige Atommüll-Politik verspielt zu haben. Jochen Stay von "ausgestrahlt" sagte, der Konflikt um die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle sei nicht gelöst, sondern nur vertagt worden. Martin Donat von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg kündigte an, die Proteste gingen weiter.
Der Kommissionsvorsitzende Müller forderte einen "fairen" Dialog. Insbesondere an Umweltverbände und Bürgerinitiativen gerichtet rief er dazu auf, sich konstruktiv an der Suche nach einem Endlager zu beteiligen - egal, welche Auffassung man früher zur Kernkraft hatte. Es gehe nicht mehr um Ja oder Nein zu einem Endlager, "sondern nur um Wo oder Wie", betonte Müller.