Der Tod des Auschwitz-Überlebenden und Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel hat in Deutschland und der Welt große Betroffenheit ausgelöst. "Mit Elie Wiesel hat uns eine der markantesten Persönlichkeiten des letzten Jahrhunderts verlassen, eine Stimme der Moral und der Humanität ist verstummt", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag in Berlin. Er habe "uns Deutschen die Hand ausgestreckt, hat mit uns unermüdlich daran gearbeitet, eine bessere Welt zu ermöglichen", fügte Merkel hinzu.
Wiesel sei "ein eindringlicher Mahner und ein großherziger Versöhner" gewesen, erklärte Merkel: "Er war der festen Überzeugung, dass nur das Wachhalten der Erinnerung an die Grauen des Holocaust eine Wiederholung dieses dunkelsten Kapitels der Geschichte verhindern könne."
Bundespräsident Joachim Gauck würdigte Wiesel als wichtigen Zeitzeugen. "Wir haben einen großartigen Menschen und außerordentlichen Gelehrten und Schriftsteller verloren", heißt es in einem Kondolenzschreiben Gaucks an die Ehefrau Marion Esther Wiesel. Mit eindringlichen und empathischen Worten habe es Wiesel verstanden, die Erinnerung an die dunkelsten Jahre der deutschen Geschichte wach zu halten und vor allem junge Menschen vor den Gefahren von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit zu warnen.
Wie der Jüdische Weltkongress in New York mitteilte, starb der Schriftsteller am Samstag im Alter von 87 Jahren in den USA. Weltkongress-Präsident Ronald S. Lauder würdigte Wiesel als Symbol der Hoffnung. Die jüdische Welt schulde ihm große Dankbarkeit. Die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vashem in Jerusalem erklärte, der Tod Wiesels erinnere schmerzlich daran, "dass die Zahl der Holocaust-Überlebenden mit jedem Jahr weiter schrumpfe".
Der Zentralrat der Juden in Deutschland erklärte, mit dem Tod von Wiesel habe nicht nur die jüdische Welt einen immensen Verlust erlitten. Wie kein anderer habe er "eindringlich die Abgründe der Schoa beschrieben und sich nach dem Krieg für Versöhnung und die Einhaltung der Menschenrechte weltweit eingesetzt." Wiesel sei ein großes Vorbild, erklärte Zentralrats-Präsident Josef Schuster am Sonntag in Berlin: "Seine Werke werden bleiben und noch vielen weiteren Generationen vermitteln, warum wir die Erinnerung an die Schoa immer bewahren müssen."
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bezeichnete Wiesel als unermüdlichen "Streiter gegen Hass, Intoleranz und Gewalt". In seiner beeindruckenden Rede vor dem Deutschen Bundestag habe Wiesel im Jahr 2000 der deutschen Jugend sein Vertrauen ausgedrückt. Steinmeier: "Darin steckte eine tief bewegende Botschaft der Hoffnung und der Verantwortung, die wir uns gerade heute zu Herzen nehmen sollten."
Hass bekämpfen, aufspüren und entwaffnen
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zufolge versuchte Wiesel sein ganzes Erwachsenenleben lang Worte zu finden, die den Hass bekämpfen, aufspüren und entwaffnen. Wiesel sei überzeugt gewesen, "dass nichts entwaffnender sei als die Wahrheit, sie zu erkennen und zu benennen." Der Deutsche Bundestag werde Wiesel ein ehrendes Andenken bewahren.
Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern und Beauftragte für Holocaust-Gedenken des World Jewish Congress bezeichnete den Tod Wiesels als "unermesslichen Verlust". Wiesel habe gewusst, "dass die läuternde und mahnende Erinnerung an den Holocaust - als singuläres und präzedenzloses Menschheitsverbrechen - ein unerlässlicher Baustein für die Gestaltung einer besseren Gegenwart und Zukunft ist", sagte die frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden.
Wiesel wird 1928 in Sighet im heutigen Rumänien geboren. Seine Familie ist fromm. 1944 werden alle Juden deportiert. Mit seinen Eltern und drei Schwestern wird Wiesel nach Auschwitz gebracht. Seine Mutter und seine kleine Schwester werden sofort umgebracht. Zusammen mit seinem Vater wird Wiesel nach Buchenwald gebracht. Dort stirbt der Vater zwei Monate vor der Befreiung.
Wiesels Erinnerungen an Auschwitz werden 1958 unter dem Titel "Die Nacht" in Frankreich veröffentlicht. Das Buch wurde in 30 Sprachen übersetzt. 1956 ging Wiesel nach New York, als Auslandskorrespondent der israelischen Zeitung "Yediot Aharonot". 1986 wurde ihm, dem "Botschafter von Menschenwürde und Versöhnung", der Friedensnobelpreis verliehen. 1972 war Elie Wiesel als Professor für Jüdische Studien an das City College in New York berufen worden.