Bertelsmann-Studie: In Kitas fehlen mehr als 100.000 Fachkräfte

Eine Pädagogische Fachkraft liest Kindern in der Kindertagesstätte Hügelland in Dresden aus einem Buch vor.
Foto: dpa/Arno Burgi
Experten empfehlen für Krippen höchstens drei Kinder pro Erzieher. In Sachsen müssen sie sich um mehr als doppelt so viele kümmern - damit ist der Freistaat bundesweit Schlusslicht.
Bertelsmann-Studie: In Kitas fehlen mehr als 100.000 Fachkräfte
Die Betreuung in deutschen Krippen und Kindergärten hat sich zwar verbessert. Aber vor allem im Osten gibt es noch immer zu wenig Personal. Gewerkschaften sprechen von einem Skandal. Familienministerin Schwesig verspricht einen weiteren Ausbau.

In deutschen Kindertagesstätten gibt es zwar mehr Erzieherinnen und Erzieher als noch vor einigen Jahren, doch reicht das Personal weiterhin nicht aus. Der Betreuungsschlüssel fällt zudem in den Bundesländern sehr unterschiedlich aus, wie aus einer am Mittwoch in Gütersloh veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung hervorgeht. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) sprach sich für einheitliche Qualitätsstandards aus. "Es ist wichtig, dass allen Kindern, unabhängig von ihrem Wohnort, eine gute Qualität in der frühkindlichen Bildung zugutekommt", erklärte sie in Berlin.

Der Studie zufolge kommen derzeit auf eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft durchschnittlich 4,3 ganztags betreute Krippenkinder unter drei Jahren oder 9,3 Kindergartenkinder über drei Jahren. Vor drei Jahren waren es noch 4,8 Krippen- beziehungsweise 9,8 Kindergartenkinder.

Wichtig nicht nur Personalschlüssel

Eine Schere klafft zwischen Ost und West: So ist eine ostdeutsche Erzieherin durchschnittlich für 6,1 Krippenkinder zuständig, eine westdeutsche nur für 3,6 Jungen und Mädchen. Den besten Personalschlüssel haben laut Studie die Kitas in Baden-Württemberg mit drei Krippenkindern und 7,7 Kindergartenkindern pro Erzieherin, gefolgt von Bremen (3,3/7,7). Nach Empfehlung der Bertelsmann Stiftung soll eine Erzieherin statistisch für höchstens drei Kleinkinder oder 7,5 Kinder über drei Jahren zuständig sein.

Um die Lücke zu schließen, sind laut "Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme" bundesweit zusätzlich 107.000 vollzeitbeschäftigte Fachkräfte erforderlich. Das würde jährlich rund 4,8 Milliarden Euro mehr kosten. Grundlage der jährlichen Untersuchung sind Auswertungen von Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder vom Stichtag 1. März 2015.

Schwesig sprach sich dafür aus, die Qualität der Kita-Betreuung weiter zu verbessern und mehr Geld und Personal einzusetzen. Der Personalschlüssel spiele zwar eine wichtige, aber nicht die alleinige Rolle. Dazu habe sie 2014 den Qualitätsprozess mit den Ländern angestoßen, zu dem Ende dieses Jahres ein erster Zwischenbericht vorgelegt werden soll, erklärte die Ministerin. Zudem baue der Bund seine Programme für eine bessere Kita-Betreuung weiter aus. So würden etwa die Mittel für die frühkindliche Sprachförderung bis 2020 auf insgesamt 600 Millionen Euro aufgestockt.

Von Land zu Land unterschiedlich

Auch Gewerkschaften und Hilfswerke forderten bundeseinheitliche Qualitätsstandards für die Kita-Betreuung. Das Deutsche Kinderhilfswerk erklärte, diese sollten im Kinder- und Jugendhilfegesetz festgeschrieben werden. Neben dem Personalschlüssel müsse auch die Mitbestimmung von Kindern im Fokus stehen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisierte: "Die Bildungs- und Betreuungsqualität hängt leider immer noch stark davon ab, in welchem Bundesland ein Kind die Kita besucht."

Der Bundesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Wolfgang Stadler, sagte, Kinder in deutschen Kitas seien von einem chancengerechten Aufwachsen weit entfernt. Je nach Wohnort fänden sie "vollkommen unterschiedliche und zum Teil fast unhaltbare Bedingungen" vor. In einem Bundesqualitätsgesetz müssten gute strukturelle Rahmenbedingungen für die pädagogische Arbeit festgeschrieben werden, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von AWO, Caritas und Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).