Berlin (epd). Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) hat ihr geplantes Lohngerechtigkeitsgesetz gegen Kritik aus der Wirtschaft verteidigt. "Es ist doch offensichtlich, dass das Problem der Lohnlücke kleingeredet wird", sagte Schwesigs Sprecherin Verena Herb am Montag in Berlin. Es stehe fest, dass Frauen mit gleicher Qualifikation auf vergleichbaren Stellen sieben Prozent weniger verdienten. "Die Lohnlücke ist keine private Entscheidung."
Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hatte zuvor erklärt, es bestehe kein staatlicher Handlungsbedarf für eine gerechtere Bezahlung von Frauen in Deutschland. Angesichts einer gesamtwirtschaftlichen Lohnlücke von 21 Prozent (acht Prozent ohne Teilzeit) plant die Familienministerin ein Gesetz, wonach Frauen in allen Betrieben das Recht auf eine Auskunft über das Gehalt ihrer männlichen Kollegen auf vergleichbaren Posten bekommen sollen.
Institut: Unterschiede Folge individueller Entscheidungen
"Die Annahme, bei der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen handele es sich um Diskriminierung durch die Unternehmen, ist unsachgemäß", sagte IW-Direktor Michael Hüther in Berlin. Die Unterschiede beim Gehalt ergäben sich vor allem aus individuellen Entscheidungen. Hüther kritisierte das Vorhaben der Ministerin. Es stelle nicht nur Arbeits- und Tarifverträge unter den Generalverdacht der Diskriminierung, sondern belaste die Unternehmen durch zusätzliche Bürokratie. Außerdem sei der Verweis auf die gesamtwirtschaftliche Lücke irreführend. Vielmehr müssten Unterschiede in den einzelnen Branchen betrachtet werden.
Der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen erkläre sich häufig durch systematische Unterschiede in der Erwerbsbiografie, die auf rein privaten Entscheidungen fußten, sagte Hüther. "Rund ein Viertel der gesamtwirtschaftlichen Lohnlücke werden durch Branchenzugehörigkeit und Betriebsgröße erklärt." So seien Frauen in Hochlohnbranchen unterrepräsentiert, in Kleinstunternehmen mit unterdurchschnittlichen Bruttostundenverdiensten jedoch stärker vertreten als Männer.
Merkmale wie Teilzeitbeschäftigung und die Dauer der Betriebszugehörigkeit sind dem Institut zufolge ebenfalls für die Lücke verantwortlich. "So hat beispielsweise ein Mann im Jahr 2012 am Ende seines Erwerbslebens rund 15 Jahre länger in Vollzeit gearbeitet als eine Frau", betonte Hüther. Um das zu ändern, müssten bessere Rahmenbedingungen für Frauen geschaffen werden. Die Einführung des Elterngelds im Jahr 2007 sei ein Schritt in die richtige Richtung gewesen.
Union lehnt Plan ab
Die Sprecherin des Familienministeriums reagierte mit Unverständnis: "Es ist wieder ein typischer Reflex, dass bei Rechten für die Frauen die Bürokratiekeule herausgeholt wird und gesagt wird: Da sind die Frauen selber schuld", sagte Herb. Zwar arbeiteten Männer öfter in Vollzeit, nähmen kürzere Kinderzeiten, arbeiteten öfter in Führungspositionen und seien eher in Berufen tätig, in denen sich gutes Geld verdienen lasse. Wenn man all dies berücksichtige, verdienten Frauen laut Statistischem Bundesamt mit gleicher Qualifikation auf vergleichbaren Stellen trotzdem sieben Prozent weniger.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) unterstützt die Pläne der Familienministerin. Nach den Ursachen für diese sieben Prozent Unterschied sei auf betrieblicher Ebene zu suchen, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. "Um da Transparenz reinzukriegen und Benachteiligungen aufzudecken, brauchen wir das Lohngerechtigkeitsgesetz." Allerdings müsse dies für alle Unternehmen gelten, nicht nur für diejenigen mit mehr als 500 Beschäftigen.
Um die Lohnlücke zu verkleinern, fordert Familienministerin Schwesig außerdem einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Kita und Schule. Das lehnt die Union wie das Lohngerechtigkeitsgesetz derzeit ab.