Dadurch werde nicht nur das Verhältnis zwischen Berlin und Ankara negativ beeinflusst, sondern auch das Zusammenleben in Deutschland, sagte der Koordinator der Ditib-Landesverbände, Murat Kayman, am Donnerstag dem Hörfunksender NDR Info. Der Bundestag will am Vormittag über die von Grünen, CDU und SPD eingebrachte Armenien-Resolution entscheiden.
Es habe tatsächlich menschliches Leid "in einer sehr großen Dimension" gegeben, betonte der Koordinator des Ditib-Verbandes, der eng mit der türkischen Religionsbehörde verbunden ist. Das müsse aber "in einer Form der Annäherung und Aussöhnung" aufgearbeitet werden, erklärte Kayman. Gerade der Streit um völkerrechtliche Begriffe führe nicht dazu, dass dies gelinge. Schließlich hätten die Muslime zur gleichen Zeit auf dem Balkan, auf der Krim, im Kaukasus und ebenfalls in Ost-Anatolien ähnlich Fürchterliches wie die Armenier erlebt.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und Grünen-Chef Cem Özdemir verteidigten die Resolution. Deutschland trage eine Mitverantwortung für die Geschehnisse und dazu wollten die Abgeordneten sich bekennen, betonten beide in Interviews. Die damalige Reichsregierung habe nicht eingegriffen, obwohl sie davon gewusst habe. Oppermann sagte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstagsausgabe): "Es ist wichtig, dass Staaten, die Unrecht begangen haben, dies einräumen. Das zeugt von einem aufgeklärten Umgang mit der eigenen Vergangenheit."
Der SPD-Politiker warnte allerdings davor, den Antrag "als Plattform für den Kampf gegen die derzeitige türkische Regierung zu missbrauchen". Niemand solle den Völkermord instrumentalisieren. Gute Beziehungen zur Türkei seien wichtig, "auch wenn wir die gegenwärtige Regierung sehr kritisch sehen". Das Drohgebaren, das einige Politiker in der Türkei an den Tag legten, um die Abgeordneten von einer Zustimmung zur Resolution abzubringen, nannte Oppermann "völlig unangemessen".
Özdemir sagte im Sender NDR-Info, bei der Abstimmung im Bundestag gehe es nicht darum, mit dem Finger auf die Türkei oder die heute in der Türkei lebenden Menschen zu zeigen. "Sie trifft genauso wenig Schuld wie uns heute lebenden Deutschen eine Schuld trifft an der Schoah." In beiden Ländern trage man aber die Verantwortung, dass sich solche Ereignisse nicht wiederholten.