Der 70-Jährige Priester sehe recht hager aus, scheine aber bei guter Gesundheit zu sein, sagte ein Sprecher der Erzdiözese der Stadt Hue, wo Ly seit März 2007 im Gefängnis saß. Der katholische Pater war unter dem Vorwurf der Propaganda gegen den kommunistischen Staat zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Wegen eines Gehirntumors hatte er das Gefängnis vorübergehend verlassen dürfen.
Ly setzt sich seit Jahrzehnten mit friedlichen Mitteln für Religionsfreiheit, Demokratie und Menschenrechte ein. 2006 gehörte er zu den Gründern des Oppositionsbündnisses "Bloc 8406", die ein Mehrparteiensystem und Religions- und Meinungsfreiheit verlangte.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen und das katholische Hilfswerk missio Aachen äußerten sich erleichtert über Nguyen Van Lys Freilassung. Dafür hatten sie sich gemeinsam mit der Unterschriftenkampagne #FreeLy eingesetzt, die laut Reporter ohne Grenzen seit dem 26. Januar von bisher fast 3.500 Menschen unterschrieben worden ist. "Wir können etwas für bedrängte und verfolgte Christen tun", zitiert missio ihren Präsidenten, Prälat Klaus Krämer. "Dieser Erfolg zeigt, dass wir etwas verändern können, wenn wir die Menschenrechte weltweit verteidigen und uns für Opfer von Diskriminierung und Einschüchterung einsetzen."
Für Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, ist die Freilassung von Nguyen Van Ly auch ein Beleg dafür, "wie wichtig es ist, sich für Meinungs- und Religionsfreiheit gleichermaßen einzusetzen". Beides gehöre untrennbar zusammen, sagte er und warnte zugleich davor, in den Anstrengungen für Meinungs- und Religionsfreiheit in Vietnam nachzulassen. "Die Freilassung erfolgte nicht aus Einsicht, sondern wegen des Staatsbesuchs von Barack Obama", erklärte Mihr. Die Regierung schüchtere Blogger und Aktivisten ein, die sich für Menschenrechte einsetzen.
Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht Vietnam auf Platz 175 von 180 Staaten.