Der Bundestag berät derzeit über ein Gesetz, das die Kirchen auf den Plan ruft. An Menschen, die selbst nicht einwilligen können wie etwa Demenzkranke, sollen künftig Medikamente im Rahmen allgemeiner Studien getestet werden dürfen. Bisher ist das nur erlaubt, wenn die nicht einwilligungsfähigen Patienten von Medikamententests persönlich einen Nutzen erwarten können.
Die Pläne verbergen sich im Entwurf zum Vierten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften. Es passt deutsche Regelungen an EU-Recht an und ging bereits im März durchs Kabinett. Im Mai zeigte sich bei einer Anhörung im Bundestag indes, dass neben den Kirchen auch Behindertenverbände und einzelne Sachverständige die geplanten Regelungen kritisch sehen.
Studien seien "ethischer Grenzbereich"
Die Kirchen werfen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vor, er nutze den Gestaltungsspielraum, den die entsprechenden EU-Verordnungen ihm einräumten, nicht aus. Es sei möglich, argumentieren sie, sogenannte "gruppennützige klinische Prüfungen" an nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen auszuschließen. Das sind Tests, die der Forschung dienen, nicht aber dem einzelnen Patienten, an dem die neuen Medikamente ausprobiert werden.
Behinderte Menschen sollen demgegenüber weiterhin nicht zu solchen Studien herangezogen werden können. Das begrüßen die Kirchen. Dem Gesetzentwurf zufolge sollen Demenzpatienten auch nur dann an den Studien beteiligt werden können, wenn sie in gesundem Zustand eine Patientenverfügung gemacht haben, die dies zulässt. Aktuell soll dann ihr rechtlicher Betreuer entscheiden, so der Gesetzentwurf. Die Kirchen sehen darin keinen ausreichenden Schutz. Gerade die Tatsache, dass es um Studien gehe, die der Forschung und nicht dem Patienten unmittelbar dienten, bedürfe "einer aufgeklärten und informierten Einverständniserklärung des Betroffenen selber".
Nach bisheriger Planung soll das Gesetz im Juni vom Bundestag verabschiedet werden und zum August in Kraft treten. Der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, der dem Deutschen Ethikrat angehört, hofft, dass die Einwände der Kirchen gehört werden und rechnet damit, dass sich das Gesetzgebungsverfahren verzögern wird. Deutschland habe hohe Standards bei der medizinisch-pharmazeutischen Forschung, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Im Falle von Studien mit nicht einwilligungsfähigen Patienten gehe es aber um einen "ethischen Grenzbereich".
Patientenverfügungen könnten wichtige Rolle spielen
Es sei zu fragen, ob die Notwendigkeit solcher Tests wirklich so groß sei. "Bei der Güterabwägung zwischen der Zweckmäßigkeit solcher Studien und dem Recht der Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit, glaube ich, dass das Recht der Personen, die nicht einwilligen können, höher einzustufen ist", sagte Hein. Das beziehe sich nicht nur auf Demenzpatienten, sondern etwa auch auf Kinder. Die Kirchen forderten die Politik auf, gerade die Rechte von Menschen besonders hoch zu achten, die über sich selbst nicht verfügen könnten, so Hein.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Hilde Mattheis, setzt auf die parlamentarischen Beratungen: "Die Debatte ist noch nicht abgeschlossen und wir werden uns weiteren Argumenten nicht verschließen", sagte sie dem epd. Es gehe darum, zu ermöglichen, dass sich Patienten, die das wollten, an klinischen Erprobungen beteiligen könnten. Zugleich müsse sichergestellt sein, so Mattheis, "dass das nicht zu einer Entwürdigung von Menschen führt". Dabei könnten Patientenverfügungen eine wichtige Rolle spielen, weil sie den Willen des Patienten deutlich machten, sagte Mattheis.