Die Forderungen der AfD nach Verboten bestimmter muslimischer Praktiken und Symbole stoßen mehrheitlich auf Kritik. Teile der Partei stellten die Religionsfreiheit infrage, sagte der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, am Montag dem Radiosender NDR info. Es sei mit der christlichen Grundorientierung nicht vereinbar, wenn gegen gesellschaftliche Gruppen pauschal Stimmung gemacht werde. Die rechtskonservative AfD hatte am Wochenende beim Bundesparteitag in Stuttgart einen strikten Anti-Islam-Kurs in ihrem Grundsatzprogramm festgeschrieben.
In dem Programm heißt es: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland." Minarette und Muezzinrufe werden abgelehnt, zudem setzt sich die AfD für ein Verbot von Burka (Ganzkörperschleier) und Niqab (Gesichtsschleier) in der Öffentlichkeit und im öffentlichen Dienst ein. Islamische Organisationen sollten keinen Körperschaftsstatus öffentlichen Rechts erlangen.
Bedford-Strohm sagte weiter: "Was man auf gar keinen Fall akzeptieren kann, ist Hetze gegen Menschen. Erst recht nicht dann, wenn sie sich in Gewalttaten zeigt." Er kritisierte, dass sich die AfD nicht zu der steigenden Zahl von fremdenfeindlichen Angriffen in Deutschland geäußert habe: "Hunderte fremdenfeindliche Straftaten wurden in den ersten Monaten dieses Jahres in Deutschland begangen. Dazu habe ich ein klares öffentliches Wort der AfD vermisst. Der Parteitag hätte die Welle von Gewalt gegen Schutzsuchende geschlossen verurteilen müssen - gerade wenn man in der Flüchtlingspolitik solche Thesen verbreitet wie die AfD."
Die evangelische Kirche werde gemeinsam mit den anderen Religionen "klare Kante" gegen jede Form von Fundamentalismus zeigen, kündigte Bedford-Strohm an. Dazu müssten die Menschen ins Gespräch gebracht werden. Durch Kontakt entstehe Empathie. "Es gibt Menschen, die verunsichert sind. Wenn dann eine Partei scheinbar einfache Antworten gibt, mag sie für manche attraktiv sein. Diese Sprüche haben aber keinen Bestand mehr, wenn sich die Menschen persönlich begegnen. Ich glaube nicht, dass die AfD ein nachhaltiges Phänomen ist."
Die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus, warnt vor einer Polarisierung der Gesellschaft durch Rechtspopulisten. "Mich erschreckt, wie auch kirchliche Vertreter, die sich gegen Fremdenfeindlichkeit und für einen offenen Umgang miteinander einsetzen, regelrechten Hasskampagnen ausgesetzt sind", sagte die Präses der westfälischen Landeskirche am Montagabend in Dortmund. Dies werde durch die Anonymität sozialer Medien noch befördert. Bei der Bewertung des Parteiprogramms der AfD schloss sich Kurschus der Auffassung des EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm an, dass die Linie der Partei mit christlichen Grundorientierungen nicht vereinbar sei. "Wer solche Haltungen vertritt, kann sich auf keinen Fall auf das Evangelium berufen", betonte die evangelische Theologin angesichts des Anti-Islam-Kurses der AfD.
Empörung über die AfD
Der EKD-Friedensbeauftragte Renke Brahms sagte, mit ihren Pauschalierungen leiste die AfD Vorschub für Fremdenfeindlichkeit. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister hat gefordert, die Rechtmäßigkeit des AfD-Parteiprogramms schnellstmöglich überprüfen zu lassen. Es gehe um die Frage, ob die Passagen zum Islam im Parteiprogramm der Alternative für Deutschland grundgesetzkonform seien, sagte Meister am Montag in Hannover. Die Rechtskonservativen hatten am Wochenende beim Bundesparteitag in Stuttgart einen strikten Anti-Islam-Kurs in ihrem Grundsatzprogramm festgeschrieben. Die evangelischen Kirchen stünden zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und damit zur Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, sagte Meister. Dazu gehöre auch die Religionsausübung: "Wir erwarten von allen Parteien, Religionen und Weltanschauungsgemeinschaften, dass sie sich ohne Einschränkung zum Grundgesetz und damit zum liberalen Rechtsstaat bekennen." Die hannoversche Landeskirche habe seit vielen Jahren gute Erfahrungen mit der persönlichen Begegnung zwischen Christen und Muslimen in Gemeinden, Schulen und Bildungseinrichtungen gemacht.
Die türkisch-islamische Organisation Ditib sieht in dem Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland (AfD) einen "Angriff auf das Grundgesetz". Die AfD wolle die freiheitlich-demokratische Werteordnung "quasi abschaffen", sagte der Koordinator der Ditib-Landesverbände, Murat Kayman, dem epd. Die Ditib ist organisatorisch eng mit der staatlichen Religionsbehörde in der Türkei verbunden und bildet mit Islamrat, dem Verband der islamischen Kulturzentren und dem Zentralrat der Muslime in Deutschland den Koordinationsrat der Muslime.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montagsausgabe), ein solch islamfeindliches Programm spalte das Land. Ein Minarett-Verbot beseitige weder soziale Ungerechtigkeiten noch löse es Rentenprobleme.
"Angriff auf das Judentum"
Juden-Zentralratschef Schuster sagte, die Beschlüsse der AfD hätten die religionsfeindliche Haltung der Partei "glasklar deutlich gemacht". "Damit verlässt die AfD den Boden unseres Grundgesetzes", sagte Schuster: "Vor allem die gegen den Islam gerichteten Passagen im Programm zeigen die Intoleranz und Respektlosigkeit der Partei vor religiösen Minderheiten in Deutschland." "Die Beschlüsse der AfD stellen daher auch einen Angriff auf das Judentum in Deutschland dar, den wir nicht hinnehmen dürfen", fügte der Zentralratspräsident hinzu.
Der stellvertretende Bundestagspräsident Peter Hitze sagte am Montag im Deutschlandfunk, der Satz "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" sei "brandgefährlich", weil er Menschen aufhetze. CDU-Bundesvize Armin Laschet sagte im "Morgenmagazin" der ARD, den Islam angesichts von vier Millionen Muslimen in Deutschland als "Fremdkörper" darzustellen, spalte das Land.
Der stellvertretende AfD-Vorsitzende Alexander Gauland wies den Vorwurf zurück, seine Partei wolle die Religionsfreiheit beschränken. Das Minarett und der Ruf des Muezzins seien Ausdruck eines "politischen Anspruchs an die Gesellschaft, den wir nicht haben wollen und den wir natürlich nicht teilen", sagte Gauland am Montag im Deutschlandfunk zu den Parteitagsbeschlüssen vom Wochenende: "Das hat nichts damit zu tun, dass ein Moslem in Deutschland seinem Glauben nachgehen kann."
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), sagte, die Partei grenze "ohne irgendeine Differenzierung" eine gesamte Religionsgemeinschaft aus: "Die AfD spaltet die Gesellschaft." Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sieht bei den Zielen der Partei, würden sie erreicht, Grundrechte verletzt. Auch bei Vertretern der rund vier Millionen Muslime in Deutschland und bei anderen Religionsgemeinschaften löste der Anti-Islam-Kurs der AfD Empörung aus.
Peter Tauber: Demagogie im AfD-Programm
Der Publizist Michel Friedman, ehemals Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, bekräftigte indes den Vorwurf, die AfD wolle die freie Ausübung der Religionen behindern. Genau so wie ein Turm eine Kirche schmücken dürfe, dürfe auch ein Minarett eine Moschee schmücken. Friedman warf der AfD "geistige Hetze" vor. "Die Wölfe im Schafspelz haben ihren Schafspelz ausgezogen", sagte er am Montag im Deutschlandfunk.
CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte dem Fernsehsender Phoenix zu einer möglichen Zusammenarbeit mit der AfD, er halte eine Koalition für "völlig ausgeschlossen". Das Programm sei "durch viel Demagogie gekennzeichnet". "Und Demagogen läuft man als Demokrat nicht nach", sagte Tauber. Im März hatte die AfD bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt jeweils zweistellige Ergebnisse erzielt.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sieht in den Zielen des AfD-Programms eine Verletzung von Grundrechten. "Im Programm der AfD gibt es gleich mehrere Eingriffe in die Religionsfreiheit", sagte Maas der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Dienstagsausgabe). Es werde ein Rechtsverständnis der Partei deutlich, "bei dem die Grundrechte nicht allen, sondern nur einer der AfD genehmen Gruppe zugestanden werden sollen". Maas sagte, die AfD wolle ein "komplett anderes Land", in dem die Mehrheit der Deutschen "sicher nicht leben will". Die Partei vertrete fremdenfeindliche Positionen. "Sie schürt Ängste, bietet aber keine Lösungen. Mit einem Minarettverbot wird noch keine einzige Rente sicherer", sagte Maas. Der Justizminister sprach sich dennoch gegen eine Überwachung durch den Verfassungsschutz aus: "Die primäre Auseinandersetzung muss politisch erfolgen, nicht mit den Mitteln des Verfassungsschutzes."
Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, kündigte in der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Montagsausgabe) Widerstand gegen die politischen Ziele der rechtspopulistischen Partei an: "Einer solch reaktionären Politik der AfD werden wir uns offensiv entgegenstellen - und letztlich die Hilflosigkeit ihrer Vorschläge entlarven." Die religionspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Christine Buchholz, erklärte in Berlin: "Nicht Minarette, Muezzin-Rufe oder Schleier sind das Problem in Deutschland, sondern soziale Ungerechtigkeit, Rassismus und bestehende Diskriminierung."