Das Verhältnis der Deutschen zum Islam ist einer aktuellen Studie zufolge weiter ambivalent. Eine knappe Mehrheit (53 Prozent) der Menschen ohne Migrationshintergrund in Deutschland stimmt der Aussage "Der Islam ist ein Teil Deutschlands" gar nicht oder eher nicht zu, wie aus dem am Dienstag in Berlin veröffentlichten Integrationsbarometer des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) hervorgeht. 65 Prozent der Befragten befürworteten aber islamischen Religionsunterricht an Schulen und fast drei Viertel (73 Prozent) gaben an, kein Problem mit einer Moschee in der Nachbarschaft zu haben.
"Deutschland ist demografisch zu einem multireligiösen Land geworden. Zudem wird eine – mit der Verabschiedung des Grundgesetzes etablierte – Politik der Religionsfreundlichkeit konsequent auf andere Religionen angewendet", sagte Christine Langenfeld, Vorsitzende des SVR, bei der Vorstellung der Studie. Es gelte aber der Grundsatz, "dass die Anerkennung von religiöser Verschiedenheit den Vorrang der demokratischen Grundwerte nicht schwächen darf".
Religiöse Christen sehen Islam mehrheitlich nicht als Teil Deutschlands
Dass der Islam zu Deutschland gehört, sehen vor allem türkischstämmige Menschen in Deutschland so. 71 Prozent von ihnen stimmten der Aussage zu. 79 Prozent der religiösen Muslime stimmten zu, nichtreligiöse zu 63 Prozent. Vor allem in der Gruppe der sich selbst als religiös bezeichneten Christen stieß die Aussage dagegen auf Ablehnung. 59 Prozent von ihnen sehen den Islam nicht als Teil Deutschlands.
Die Ergebnisse des diesjährigen Integrationsbarometers könnten als zögerliches "Ja" zum Islam interpretiert werden, resümiert der Sachverständigenrat in seinem Gutachten. In der mehr als 200-seitigen Studie beschäftigt er sich auch mit dem aktuellen Stand der rechtlichen Gleichstellung des Islam. Die muslimischen Gemeinschaften sind bis auf kleine Ausnahmen in Hessen und Hamburg anders als die großen christlichen Kirchen nicht als Körperschaften organisiert, die Grundlage beispielsweise für die Erteilung von Religionsunterricht an staatlichen Schulen, Steuereinzug, Feiertagsregelungen, Bau von Gebetshäusern oder Bestattungsregelungen sind.
Den Aufbau von islamischer Theologie an deutschen Hochschulen wertet die Studie als Erfolgsprojekt. Allerdings teilt der SVR die Kritik verschiedener islamischer Hochschullehrer "an der Haltung der Verbände zu den inhaltlich-theologischen und personellen Fragen bei der Besetzung entsprechender Lehrstühle", wie es bei der Vorstellung der Studie hieß. Kritische Reflexion müsse auch bei bekenntnisgebundener Theologie ein fester Teil der wissenschaftlichen Arbeit sein.
Auch die Wahrnehmung des kirchlichen Arbeitsrechts wurde mit abgefragt. Angesichts einer zunehmenden gesellschaftlichen Säkularisierung werde der Dritte Weg "immer erklärungs- und legitimationsbedürftiger", hieß es einer Mitteilung zur Studie. Dies gelte insbesondere, falls entsprechende Regelungen möglicherweise auch für islamische Religionsgemeinschaften in Kraft treten sollten.
Für das Integrationsbarometer haben die Experten zwischen März und August 2015 mehr als 5.000 Personen befragt. Der Sachverständigenrat wird von sieben Stiftungen getragen, initiiert wurde das Gremium von der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung. Er versteht sich als unabhängiges Beratungsgremium bei migrations- und integrationspolitischen Themen.