Mit ihren scharfen Tönen gegen den Islam sieht der evangelische Ethiker Peter Dabrock die AfD auf einem demokratiefeindlichen Kurs. "Wenn es auf dem Parteitag der AfD zu einer pauschalen Verurteilung des Islam käme, wäre die Partei nicht mehr nur als rechtskonservativ oder rechtspopulistisch zu bezeichnen - das wäre in meinen Augen rechtsextremistisch", sagte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Eine pauschale Verurteilung einer in sich pluralen Religion inklusive all ihrer Anhänger habe "geradezu volksverhetzenden Charakter".
Die führenden AfD-Vertreter Beatrix von Storch und Alexander Gauland wollen laut einem Zeitungsbericht den Islam im Parteiprogramm als unvereinbar mit dem Grundgesetz erklären. Das Programm soll am nächsten Wochenende vom Parteitag beraten und beschlossen werden.
"Wer eine solche pauschale These vertritt, will die Gesellschaft spalten", sagte Dabrock. Zudem ignoriere er die Tatsache, dass die überragende Mehrheit der Millionen Muslime in Deutschland hinter der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe. Wenn die AfD die Thesen von Gauland und von Storch übernähme, "wäre offensichtlich, dass sie eine inakzeptable Sündenbock-Strategie fahren würde". In einem solchen Fall müsse es einen "Aufschrei der Anständigen" geben, sagte Dabrock, der an der Universität Erlangen-Nürnberg Theologie lehrt und dem Deutschen Ethikrat angehört.
Vor den Äußerungen der beiden AfD-Vertreter hätte man laut Dabrock gemäßigtere Töne zum Islam erwarten können. "Denn ob es einem gefällt oder nicht: Noch gibt es auch in der AfD sogenannte wertkonservative Stimmen, die sehr wohl an Ansätzen von Integration interessiert waren." Bislang sei die Partei ein Sammelbecken von christlich-konservativen und wenigen verbliebenen wirtschaftsliberalen über national-konservative bis hin zu völkischen Gruppierungen. Der Parteitag müsse nun zeigen, wie sich die AfD programmatisch aufstellt.
Bei einer Mehrheit für den harten Islam-Kurs sieht Dabrock auch notwendige Konsequenzen bei anderen Religionsgemeinschaften. Sollte der Parteitag eine Pauschalverurteilung des Islam vornehmen, "dann sind auch die Kirchen aufgefordert, sich nochmals intensiver Gedanken zu machen, ob AfD-Mitglieder in den Gemeinden Verantwortung übernehmen dürfen", sagte er. Der Berliner Bischof Markus Dröge hatte zuvor eine Debatte über diese Frage angestoßen.
Der Ethiker forderte auch Reaktionen der Politik auf die AfD. Sie müsse den Wählern klarmachen, "dass auch jenseits von Extrempositionen kontrovers debattiert werden kann - aber dass dies so zu geschehen hat, dass dieses Ringen eine Gemeinwohlorientierung behält und nicht den Eindruck vermittelt, dass sich vornehmlich 'die da oben' bedienen". Andernfalls drohe ein Akzeptanzproblem der Demokratie. "Wir beobachten derzeit einen massiven Vertrauensverlust in Funktionseliten, die von den Verantwortlichen in der Politik als gar nicht dramatisch genug eingeschätzt werden kann", warnte Dabrock.