Aachen (epd)Jenny Erpenbeck erhält den mit 20.000 Euro dotierten Walter-Hasenclever-Literaturpreis für ihren Roman "Gehen, ging, gegangen" über Flüchtlinge in Deutschland, wie die Stadt am Dienstag mitteilte. Gewürdigt werde die politische Zivilcourage der 48-jährigen Autorin, mit der sie sich aktuellen Problemen unserer Zeit stelle. Erpenbeck gebe den heutigen Flüchtlingen eine Stimme und nutze dabei eindrucksvoll und virtuos die Mittel des Romans, um die Leser in die Zeitgeschichte einzubeziehen. Der Preis wird am 6. November in Aachen verliehen.
"Langweiliges Alltagsleben infrage gestellt"
Erpenbeck habe in ihrem im August 2015 veröffentlichten Tatsachenroman "Gehen, ging, gegangen" das neue Genre "Flüchtlingsroman" begründet, in dem sie die unhaltbaren Lebensbedingungen hungerstreikender afrikanischer Flüchtlinge auf einem zentralen Platz mitten in Berlin erfahrbar mache. "Jenny Erpenbeck bringt uns diese Menschen berührend nahe, stellt dabei unser langweiliges Alltagsleben infrage und plädiert für ein respektvolles Miteinander zum unbedingten Vorteil aller", sagte die Juryvorsitzende Barbara Schommers-Kretschmer.
"Erpenbeck setzt ein Zeichen gegen die kleinen Ideologien der Alltagsvorurteile", betonte Jurymitglied Maria Behre. Niemand brauche Angst zu haben vor dem Flüchtlingsthema, denn hinter Zahlen und Kontingenten stünden menschliche Schicksale. Erpenbeck ist die elfte Hasenclever-Literaturpreisträgerin. Zuletzt ging der Preis vor zwei Jahren an den Österreicher Michael Köhlmeier.
Seit 1996 wird der Hasenclever-Literaturpreis alle zwei Jahre vergeben, um an den 1890 in Aachen geborenen Walter Hasenclever zu erinnern. Sein 1914 veröffentlichtes Stück "Der Sohn" gilt als das erste große Werk des expressionistischen Dramas. Zeitweise avancierte er zum meist gespielten Dramatiker des deutschen Sprachraumes und arbeitete als Drehbuchautor Greta Garbos in Hollywood. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden seine Werke 1933 verboten und der Schriftsteller floh ins Exil. Hasenclever nahm sich 1940 in einem Internierungslager in Südfrankreich das Leben.