Zerrbild oder Realität

Zerrbild oder Realität
Bundestagsdebatte offenbart unterschiedliche Bewertungen der fremdenfeindlichen Vorfälle in Sachsen
Die jüngsten fremdenfeindlichen Übergriffe in Sachsen haben bundesweit für Empörung gesorgt. Vertreter aller im Bundestag vertretenen Parteien verurteilen die Attacken. Über die Ursachen gehen die Meinungen aber auseinander.

Berlin (epd)Die Häufung fremdenfeindlicher Vorfälle in Sachsen hat im Bundestag zu unterschiedlichen Bewertungen geführt. In einer Aktuellen Stunde verurteilten Redner aller Fraktionen am Mittwoch einhellig die Blockade einer Flüchtlingsunterkunft in Clausnitz und den Brand eines geplanten Heims in Bautzen. Zugleich mahnten sie, nach außen ein geschlossenes Zeichen der Verurteilung solcher Taten auszusenden. Unterschiedliche Einschätzungen gab es aber darüber, inwieweit der Freistaat ein besonderes Problem mit Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus hat und ob der Landesregierung Versäumnisse im Kampf gegen rechts attestiert werden müssen.

"Ein Aufstand der Anständigen"

Vertreter der Opposition kritisierten die Verhältnisse in Sachsen und warfen der Landesregierung eine Mitschuld an der gegen Flüchtlinge und Zuwanderung gerichteten Stimmung im Land vor. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach vor allem auch mit Blick auf den umstrittenen Polizeieinsatz in Clausnitz von einem Versagen des Staates. "Wir haben nicht nur ein Problem mit Rassismus, sondern auch mit einem Teil unserer Sicherheitsbehörden", sagte er. Die sächsische Landesregierung und die regierende CDU trügen wegen einer "25-jährigen Geschichte des Wegschauens" eine Mitschuld daran. Nötig sei jetzt "ein Aufstand der Anständigen".

Auch nach Überzeugung des Vorsitzenden der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, ist es kein Zufall, dass sich diese Vorfälle erneut in Sachsen ereigneten. Sie seien die Folge einer systematischen Verharmlosung der Gefahr von rechts. Bartschs Fraktionskollegin Caren Lay machte eine "Pogromstimmung gegen Flüchtlinge" in Sachsen aus. "Die Liste des sächsischen Versagens im Kampf gegen Rechts ist wirklich lang", fügte sie hinzu.

Auch von den Sozialdemokraten gab es Kritik an Sachsen, wo die SPD mitregiert. Der Abgeordnete Uli Grötsch hielt eine Grafik der Amadeu-Antonio-Stiftung hoch und sprach von einer "Karte der Schande". Markiert waren mit roten Punkten Orte, an denen es Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gegeben hatte. Diese Orte in Sachsen hätten "fast schon zweifelhaften Weltruhm erlangt".

Gegen pauschale Verurteilungen Sachsens

Vertreter der Bundesregierung und der Unionsfraktion wandten sich gegen pauschale Verurteilungen Sachsens. Der sächsische CDU-Abgeordnete Günter Baumann sprach von einzelnen Bürgern, gegen die man vorgehen müsse: "Ein Frontalangriff gegen alle Sachsen hilft uns nicht weiter und ist absolut ungerecht." Er fügte hinzu: "Das Bild der letzten Tage ist nicht unser Sachsen." Niemals dürfe sein Bundesland unter Generalverdacht gestellt werden: "Sachsen ist nicht rechtsradikal und auch nicht ausländerfeindlich." Die Blockierer von Clausnitz und die Brandstifter von Bautzen seien eben nicht "das Volk". Auch der langjährige sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer nannte es nicht in Ordnung, wenn vom Freistaat ein "Zerrbild" und von "Dunkeldeutschland" gesprochen werde.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), sprach von "erschreckenden Vorfälle", die Bestürzung ausgelöst hätten. Diese stünden in einer Reihe mit inzwischen bundesweit weit über 1.100 Straftaten gegen Asylunterkünfte seit Januar 2015. Diese passierten überall in Deutschland, auch wenn es eine besondere Häufung in Ostdeutschland gebe. Diese Taten seien inakzeptabel und könnten nur "auf das Schärfste verurteilt werden". Der Staatssekretär versicherte: "Wir werden nicht zulassen, dass Menschen, die in unserem Land Schutz suchen, bedrängt werden."