Frankfurt a.M. (epd)"Verehrte Kunden, wir runden": Diese Schilder stehen in mittlerweile 60 Geschäften in der 50.000 Einwohner-Stadt Kleve an der Grenze zu den Niederlanden. Der Klever Marketingverband der Einzelhändler hat dem Kleingeld den Kampf angesagt: Die Ein- und Zwei-Cent-Münzen sollen "verbannt" werden, krumme Summen entweder auf- oder abgerundet werden - wie im Nachbarland.
Immer höhere Gebühren
Seit 1. Februar läuft das Experiment - mit enormem Aufsehen: Bis ins "Wall Street Journal" hat es der Kampf gegen die Mini-Münzen geschafft. "Die Ein- und Zwei-Cent-Münzen verstopfen den Kunden die Geldbörse, und die Händler zahlen immer höhere Gebühren für Einzahlung und Wechselgeld an die Banken", sagt Petra Hendricks vom Verband der Einzelhändler in Kleve. "Das braucht kein Mensch."
Organisationen wie das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) würden diesen Satz allerdings nicht unterschreiben. "Wir beobachten das Klever Experiment und vor allem die Debatte über eine Abschaffung der kleinen Cent-Münzen mit großer Sorge", sagt Sprecher Uwe Kamp. Denn: Die DKHW-Spendendosen stehen in rund 40.000 deutschen Geschäften nahe der Kasse - zum Beispiel in vielen Apotheken oder bei der Drogeriekette Rossmann. Über eine Million Euro Spenden kommen so jährlich zusammen. "Ein Großteil sind genau diese Münzen", sagt Kamp. "Statt ins Portemonnaie wandern sie für einen guten Zweck in die Dose." Ohne die Cents könnte "unserer Arbeit ein mittlerer sechsstelliger Betrag fehlen", fürchtet er.
Auch die Seenotretter haben schon über den Vorstoß vom Niederrhein diskutiert: Ihre 14.000 Sammelschiffchen bringen schließlich ebenfalls etwa eine Million Euro im Jahr an Spenden ein. Wie viel davon Kleinstmünzen sind, erhebt die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger nicht. Und will sich auch nicht zu viele Sorgen machen: "Die Schiffchen sind ein bekanntes Sammel-Symbol", sagt Sprecher Ralf Baur. "Wir glauben, dass die Menschen weiter Geld einwerfen würden."
Fünf Millionen Euro gesammelt
Aber dann eben keine Mini-Beträge. "Wir verfolgen die Diskussion um Kleve sehr gespannt", sagt Sebastian Olschewski von "Deutschland rundet auf", das Projekte gegen Kinderarmut fördert. "Sie kann für uns auch Veränderungen bringen, auf die wir reagieren müssen." Denn: Auch hier spenden Einzelhandelskunden von Ketten wie Netto, Kaufland oder Reno Cent-Beträge an der Kasse: Sie runden dann beim Bezahlen krumme Beträge auf den nächsthöheren Zehn-Centbetrag auf - auch bei Kartenzahlung.
Fünf Millionen Euro wurden so seit 2012 gesammelt. "Ohne Ein- und Zwei-Cent-Münzen gibt es natürlich weniger krumme Summen", sagt Olschewski. Dann müsse man darüber nachdenken, auch das Runden auf den vollen Euro anzubieten. Und hoffen, dass das genauso gut funktioniert.
Ob auf das Klever Modell überhaupt zu bundesweiten Änderungen führt, ist unklar. In den Niederlanden war es allerdings auch eine Kleinstadt, die den Anfang machte: Einem Pilotversuch in Woerden bei Utrecht folgte 2004 eine landesweite Rundungsregel, empfohlen von Banken, Einzelhandel und Verbraucherschützer - freiwillig, aber inzwischen etabliert.
Keine Änderung geplant
"Mal sehen, wie das hier wird", sagt Stefanie van de Veen von der Bäckerei Derks, die neben Filialen im Kreis Kleve auch mehrere in den Niederlanden hat. "Für die Niederländer ist das normal, sie lassen schon lange die kleinen Cent-Münzen einfach auf der Theke", sagt die Verkäuferin. In dieser ersten Woche hätten hingegen hier in Kleve einige Kunden genaues Rückgeld erbeten. Und: "Wenn der Laden voll ist, fehlt die Zeit für Erklärungen, dann geben wir passend raus."
Noch. Das Runden geschieht freiwillig, solange die die Kleinstmünzen gesetzliches Zahlungsmittel sind. Eine Änderung sei nicht geplant, teilt dazu das Bundesfinanzministerium mit. In der europäischen Diskussion über eine Abschaffung der Münzen habe sich die Bundesrepublik für deren Erhalt eingesetzt. "Die Bevölkerung hat mehrheitlich eine positive Haltung zu den Kleinmünzen", sagte eine Sprecherin dem Evangelischen Pressedienst (epd).