Aus dem biblischen Gebot der Nächstenliebe ließen sich keine erschöpfenden Handlungsanleitungen für eine langfristige Migrationspolitik ableiten, schreibt der Theologieprofessor in einem Beitrag für die evangelische Monatszeitschrift "zeitzeichen". "Der Staat ist kein Individuum wie der Samariter im Gleichnis Jesu. Auch kann er nicht nur das Einzelschicksal in den Blick nehmen, sondern ist dem Gemeinwohl, dem Wohl aller, verpflichtet", erklärte Körtner. Eine Forderung nach unbegrenzter Zuwanderung lasse sich durch das Gleichnis nicht rechtfertigen.
In kirchlichen Stellungnahmen zur Flüchtlingssituation werde diesen Fragen ausgewichen, bemängelte der Professor für Systematische Theologie. Die beiden großen Kirchen in Deutschland hätten die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von Anfang an nachdrücklich unterstützt und dabei sogar den in Kauf genommenen Bruch von EU-Recht gutgeheißen. Körtner zufolge ist dies rechtspolitisch und theologisch bedenklich.
Er warb dafür, dass die evangelische Kirche stärker die reformatorische Lehre beachte, die Kirche und Staat unterschiedliche Aufgaben zuweist. Zur staatlichen Aufgabe gehöre es auch, die Grenzen zu sichern und Zuwanderung zu steuern. Gerade ein für Zuwanderung offener Staat brauche die Kontrolle über das Staatsgebiet und die Zusammensetzung der Bevölkerung. Wann bei der Flüchtlingsaufnahme die "Grenze des Leistbaren" erreicht sei, werde von Land zu Land unterschiedlich beurteilt. "Aber aus verantwortungsethischer Sicht werden wir um diese Frage nicht herumkommen", schrieb Körtner, der an der Universität Wien lehrt.