Die Spitzen der Koalition haben sich am Donnerstagabend darauf geeinigt, für Flüchtlinge mit sogenanntem subsidiären Schutz das Recht, ihre engsten Angehörigen nach Deutschland zu holen, für zwei Jahre auszusetzen. Subsidiärer Schutz bedeutet, dass die Menschen zwar nicht als systematisch verfolgt gelten, aber dennoch Schutz erhalten, weil sie in ihrem Heimatland von Krieg, Folter oder Todesstrafe bedroht sind. Das betrifft aktuell viele Syrer.
"Die Aussetzung des Familiennachzugs soll dazu herhalten, die Flüchtlingszahlen zu begrenzen", meint dazu die evangelische arbeitsgemeinschaft familie (eaf), familienpolitischer Dachverband in der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD). Das Recht auf Familienleben sei jedoch vom Grundgesetz geschützt, das gelte für alle in Deutschland lebenden Menschen. Integration gelinge darüber hinaus viel besser mit Familie als ohne, heißt es von der eaf.
Frauen und Kinder in größerer Gefahr
Der familienpolitische Verband sagt außerdem, dass die zeitweise Aussetzung des Familiennachzuges rein sachlich nicht viel nütze. Die Behörden seien mit den Anträgen der Flüchtlinge so überlastet, dass sie zur Bearbeitung der Anträge auf Familiennachzug aktuell gar nicht kämen. Außerdem könne der Antrag ohnehin erst nach Abschluss des langwierigen Anerkennungsverfahrens gestellt werden. "Die Familien sind demnach ohnehin schon über Jahre getrennt", heißt es von der eaf. "Das ist besonders für die davon betroffenen Kinder sehr schwer."
Als Konsequenz der aktuellen Entscheidung würden sich viele Familienangehörige sofort auf die gefährliche Flucht begeben und nicht ein geordnetes und sicheres Verfahren abwarten, fürchtet die eaf. "Wir fordern die Regierungsparteien auf, schutzbedürftige Frauen und Kinder nicht unnötig noch mehr zu gefährden als sie es ohnehin schon sind", sagte Präsidentin Christel Riemann-Hanewinckel.
Der Kompromiss der Koalitionsparteien beim Familiennachzug sieht vor, Angehörige von Flüchtlingen nun bei möglichen Kontingenten vorrangig zu behandeln, um ihnen dennoch einen Weg nach Deutschland zu ermöglichen. Kontingente als sicheren und gesteuerten Weg nach Deutschland strebt die Bundesregierung auf europäischer Ebene an. Vizekanzler Sigmar Gabriel zufolge sollen Familienangehörige vorrangig berücksichtigt werden, wenn wie angestrebt syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aus Jordanien, dem Libanon oder der Türkei über Kontingente nach Deutschland geholt werden.